Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
von der Dunkelheit verschlucken.
9
In unserem Haus brannte ein kleines bescheidenes Licht. Gerti saß in ihrem Lesesessel im Wohnzimmer und gab vor, in ein Buch vertieft zu sein. In Wirklichkeit wartete sie auf mich.
Sobald ich im Haus war, legte ich Helm und Lederjacke ab und stellte die Sporttasche auf die Treppe. Dann ging ich zu ihr, die gerade tat, als hätte sie mich eben erst bemerkt, weil sie ja so sehr mit ihrer Lektüre beschäftigt gewesen war.
„Spannendes Buch?“, fragte ich.
Sie nahm ihre Lesebrille ab. „Dashiell Hammet ist immer gut.“
„Du hast doch seine Bücher sicher schon zehnmal gelesen.“
„Das stimmt. Aber ich sag dir eins, mein Findling, es ist besser, ein gutes Buch zehnmal zu lesen, als ein schlechtes einmal.“
Ich beugte mich zu ihr herab und küsste sie auf die Wange.
„Wofür war das denn?“, fragte sie erstaunt.
„Einfach so“, sagte ich.
Ich wünsche ihr eine gute Nacht, stieg in den Keller und schob mir eine Flasche von Asmodeos Wein unter mein Hemd. Dann ging ich nach oben, nahm auf dem Weg meine Sporttasche und verschwand in mein Reich.
10
Zuerst packte ich die Tasche aus, hängte das Tobok-Oberteil von Johannes mit meinem besten Kleiderbügel an den Schrank. Ich blieb kurz davor stehen, strich es glatt und betrachtete drei große, zusammenhängende Blutflecken, die inzwischen eingetrocknet waren. Es würde schwer werden, diese Flecken wieder herauszuwaschen.
Vielleicht gelingt das auch nie.
Ich stieg aus meinen Trainingssachen und lies sie einfach zusammengeknüllt dort liegen, wo sie hingefallen waren. Meine Unterwäsche schmiss ich daneben. Mit der Flasche Wein in der Hand ging ich in mein Badezimmer und ließ die Wanne mit heißem Wasser volllaufen.
Mein allerbestes Schaumbad musste dran glauben. Großzügig goss ich es in die Fluten. Heute war sicherlich kein Tag, um sparsam zu sein. Ich nahm meine Zahnbürste aus dem Becher, pulte den Wachsverschluss der Weinflasche ab und drückte den Korken mit dem Stiel der Zahnbürste in die Flasche. Das war ein bisschen umständlich, aber gelernt ist gelernt.
Mittlerweile war die Wanne voll. Ich zündete ein paar Kerzen an, platzierte sie am Rand und stieg ins Bad, meine Flasche fest in meiner Rechten.
Nachdem das warme Wasser meinen Körper umschloss und der wunderbar duftende Schaum in meiner Nase kitzelte, nahm ich einen tiefen Schluck Wein.
„Ha“, stellte ich laut fest. „Das Zeug kann man trinken, ohne vorher damit zu gurgeln!“
Niemand antwortete mir. Der Wein war vorzüglich, mein Durst schien unendlich. Ich nahm noch einen großen Zug und dann noch einen. Ich fühlte, wie sich die wohlbekannte Wärme in meinem Magen ausbreitete.
Das Blaulicht und die tanzenden Lichter der Taschenlampen kamen zu mir zurück. Julia trat aus der Dunkelheit hervor – mein Körper erbebte, als sie ihre Hand ausstreckte und mir ein Teil ihres Schädels entgegenhielt.
Es war ein entsetzlicher Unfall gewesen. Wahrscheinlich hatte sie die Kurve unterschätzt und die Kontrolle über ihr Motorrad verloren. Solche Dinge passierten ständig. Daran war überhaupt nichts Ungewöhnliches, so tragisch es auch war.
Aber sie hatte von einem Raben gesprochen. Sie hatte erzählt, dass ein Rabe sie verfolgt habe. Ein Rabe mit roten Augen.
Was, wenn der Rabe sie nur verwechselt hat? Wenn er in Wirklichkeit mich umbringen wollte?
Nein. Julia war schwer verletzt gewesen, sie hatte halluziniert, wirres Zeug geredet. Und Raben waren nicht gefährlich.
Und wenn doch?
Ich fröstelte, ließ einen zusätzlichen Schwall heißes Wasser in die Wanne laufen.
Ich verbannte die Bilder des Unfalls, legte sie bewusst beiseite, atmete tief und gleichmäßig. Dann lenkte ich meine Gedanken zu den Geschehnissen des heutigen Nachmittags.
Asmodeo und Johannes.
Wenn ich meine Augen schloss, konnte ich nur den Blick von Johannes sehen, den er mir zugeworfen hatte, als er aus der Halle ging. Ich würde diesen Ausdruck nie vergessen.
In seinem Gesicht hatte eine derartig dunkle Hoffnungslosigkeit, so eine abgrundtiefe Enttäuschung gelegen, dass ich lieber gestorben wäre, als diesen Anblick zu ertragen.
Aber Johannes hatte recht. Mit meiner Entscheidung, einzuschreiten, hatte ich nicht nur Asmodeo gerettet. Für Johannes war eindeutig, dass ich gleichzeitig auch unsere Beziehung attackiert, sie im wahrsten Sinne des Wortes gewaltsam zertreten hatte. Wie sollte ich ihm jemals erklären, dass ich mit meinem Eingreifen nicht
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