Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
schritt ich im Wohnzimmer auf und ab, setzte mich, blätterte in einer Zeitschrift, ohne den Sinn der Worte zu verstehen, um kurz danach wieder aufzuspringen und herumzuwandern.
Schließlich ging ich in mein Zimmer, nahm den Tobok von Johannes vom Bügel, legte ihn fein säuberlich zusammen und steckte ihn in eine Stofftasche. Mit der Tasche lief ich hinunter, packte meine Schlüssel und stieg in den Karmann Ghia.
Der Regen hatte aufgehört. Das Wasser tropfte von den Bäumen und Sträuchern. Beim Fahren beschlugen die Fenster von innen und da es in unserem Oldtimer keine Klimaanlage gab, kurbelte ich das Seitenfenster hinunter. Frische Luft strömte hinein. Die Dunstschicht auf der Innenseite der Frontscheibe löste sich allmählich auf.
Kurze Zeit später hielt ich vor Johannes Haus. Ich läutete an der großen Einfahrt. Über dem Klingelknopf befand sich eine Sprechanlage. Vergeblich wartete ich auf seine Stimme.
Nichts rührte sich.
Ich schellte erneut zwei-, dreimal. Das Haus schien wie ausgestorben.
Ich wartete, meine wachsende Verzweiflung ignorierend, blickte die Straße hinunter auf der ich gekommen war, in der Hoffnung, dass Johannes irgendwann erscheinen würde. Aber er kam nicht.
Ich blieb allein.
Entweder war Johannes nicht zuhause, oder er wollte mir nicht öffnen. Was würde ich machen, wenn er nie wieder mit mir reden würde? Was, wenn er fortgegangen war und ich ihn nie wiedersehen könnte? Letztendlich hielt ihn nichts in diesem großen einsamen Haus. Seine Familie lebte schon lange nicht mehr hier.
Ich lugte auf Zehenspitzen über die metallenen Stangen des Tores und versuchte, durch die großen Fenster des Hauses einen Blick in die Räume zu erhaschen. Aber das Haus war viel zu weit entfernt und das Grundstück zu stark bewachsen, als dass ich etwas hätte erkennen können.
Irgendwann gab ich auf. Ich hatte genug vom sinnlosen Warten. Unauffällig scannte ich die Umgebung, um mich zu vergewissern, dass mich niemand beobachtete. Ich spielte eine harmlose Passantin, bis ein Wagen mit abgedunkelten Scheiben vorbeigefahren war, dessen Fahrer offensichtlich etwas suchte. Sobald ich sicher war, alleine auf der Straße zu stehen, packte ich den oberen Holm des Tores, schwang mich mit einem Satz hinauf und ließ mich auf der anderen Seite hinuntergleiten. Fast kam ich mir wie ein Einbrecher vor, als ich über die Zufahrt zum Haus lief.
Oben angekommen ging ich zum Eingangsportal, drückte dort die Glocke. Ich hörte dumpf das Läuten durch die bronzene Metalltür nach außen dringen. Wieder gab es keine Reaktion.
Ich griff in die Tasche hinein und strich ein letztes Mal über den festen Baumwollstoff des Toboks, bevor ich den Beutel am Türknauf hängend mit all meinen Hoffnungen, Wünschen und Bitten zurückließ.
Obwohl ich mich selbst für diese Schwäche hasste, konnte ich nicht anders und hielt auf meinem Rückweg in der Mitte der Auffahrt inne, um meinen Blick nochmals auf das Haus zu richten. Ich hatte den Eindruck, dass sich eine Gardine an einem Fenster im ersten Stock bewegt hatte. Ich starrte lange Zeit dorthin, aber ich hatte mich wohl getäuscht.
Wieder kletterte ich über das Tor in der Einfahrt, stieg in den Karmann Ghia und fuhr nach Hause.
Ich war so einsam, dass ich nicht einmal mehr weinen konnte.
5
Unser Haus war ebenfalls verwaist. Gerti war noch im Institut. Allmählich kam ich mir vor, wie der letzte Mensch auf Erden, wobei ich mittlerweile ganz froh war, niemanden zu sehen. Ich fühlte mich völlig niedergeschlagen.
Ich hatte keinen Nerv fürs Abendessen. Im Küchenschrank fand ich eine Schachtel Pralinen, die auf wundersame Weise bislang ungeöffnet geblieben war. Die nahm ich mit ins Wohnzimmer.
Neben unserer Musikanlage lag ein Stapel CDs. Ich suchte den Stapel durch und legte eine selbstgebrannte CD ein, die Leon zu meiner Party mitgebracht und hier vergessen hatte.
Leon liebte Heavy Metal. Ich drehte die Anlage auf volle Lautstärke, schmiss mich rücklings auf die Couch und machte mich über die Pralinenschachtel her.
Die Musik mit ihren schnellen, harten Riffs hämmerte sich in meinen Kopf und verdrängte für kurze Zeit meine trüben Gedanken. Aber eben nur für kurze Zeit. Danach quälten sich meine Sorgen umso heftiger in mein Bewusstsein zurück.
Was sollte ich nur machen? Ich musste wenigstens noch einmal mit Johannes sprechen. Nur ein einziges Mal.
Ich konnte die Musik nicht mehr ertragen, schaltete die Anlage aus und griff mir das
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