Für ein Lied und hundert Lieder
Schachbrett unter dem Kang vor und luden den alten Wan zum Schachspiel ein. Der war überaus erfreut – der Schwachkopf war schon mit neun Schachmeister seiner Gemeinde gewesen, anscheinend hatte seine angeborene Epilepsie ihn zu einem Schachvirtuosen gemacht.
»Im Knast kann man um gar nichts spielen!«, entschied Wang Er, »also setzt jeder zwei Rationen Fleisch.«
Als Wan Li das hörte, war er sofort hellwach, ihm lief das Wasser im Mund zusammen, er schluckte und schlug sich dröhnend gegen die Brust: »Pate, wenn ich das Fleisch gewinne, werde ich dir eine Portion abgeben, das gehört sich so.«
Die Meute stand um die an der Wand klebenden Schachspieler herum und verstellte damit dem Wachsoldaten im Obergeschoss den Blick. Der alte Bai hatte Rot und fing an, Wan Li zog sofort nach, so ging es hastig Zug um Zug, und nach fünf Minuten hatte er dem alten Bai einen Wagen abgenommen.
»Der ist schon mal weg!«, drängelte er hochzufrieden und schaute in die Runde, er gab den großen Meister.
Und ausgerechnet diese unachtsamen paar Sekunden führten zu dem größten Fehler seines Lebens.
»Pferd schlägt Wagen, Schach!«, rief der alte Bai.
Wan Li stellte die Augen schief wie Hühnereier: »Wieso stehen die Figuren denn auf einmal ganz anders? Und meine Kanone, mein Pferd?«
»Das Ross hat schon den Vorderhuf verloren«, spottete Wang Er mit ernster Miene, »gib auf!«
»Nein, meine Steine sind umgestellt worden. Ich weiß noch ganz genau, dass mein Pferd hier gestanden hat, Wagen und Kanone waren auf einer Linie, mein Elefant lässt deine Soldaten verschwinden. Fünf von meinen Steinen sind verstellt worden!«
Es erhob sich ein schallendes Gelächter, sogar ich sagte erstaunt: »Wer sollte denn eine so schnelle Hand haben?«
Man sollte sich davor hüten, sich mit allen auf einmal anzulegen, also eröffnete Wan Li nolens volens eine neue Partie, diesmal ließ er den Kopf hängen und starrte vor sich hin. Der alte Bai ging mit Pauken und Trompeten unter. Als Wang Er das sah, machte er Wan Li zur Belohnung eigenhändig eine Tasse Tee, aber selbst beim Trinken schaute Wan Li stur weiter auf das Spiel und knirschte mit den Zähnen. Mit einem Schlag zog sich Wang Ers Gesicht gefährlich in die Länge.
Der Plan ging nicht auf, und der Große Drache, der Neue, drückte ein feuchtes Handtuch aus, um den Schachhelden den Schweiß abzuwischen.
»Es ist kalt draußen, ich schwitze nicht!«, wehrte Wan Li ab.
Aber leider war das Handtuch bereits unterwegs, er konnte das Gesicht nicht mehr wegdrehen. Wang Ers geschickte leere Hand streifte einmal nach unten und stellte alles um.
So geplagt, verlor Wan Li in einer halben Stunde hintereinander vier Partien, es war die größte Niederlage seines Lebens.
»Der Felldiebchef isst einen Monat lang vegetarisch!«, verkündete Wang Er.
Wan Li wischte sich die Tränen aus dem Gesicht: »Ich habe nicht verloren, aber euer Gewissen hat der Hund gefressen!«
»Dein Fleisch hat der Hund gefressen«, sagte der alte Bai geringschätzig. »Scheiß Schach.«
Im Herbst und im Winter bestand das Gemüse im Wesentlichen aus alten Kürbissen. Das Zeug war billig, leicht zu lagern und ausgesprochen einfach zu kochen: Man musste es nur wahllos in Stücke schneiden, es in einen Topf mit klarem Wasser werfen und heiß machen, dann noch eine Handvoll Salz dazu, einmal umgerührt, fertig. Diese süß-salzig-ölige Brühe führte bei den Gefangenen zu Schweißausbrüchen und Geschwüren im Mund- und Nasenbereich. Nach ein paar Monaten hatten wir alle das Graugelb der Kürbisse im Gesicht, selbst unsere Rülpser, unsere Pisse und unser Kot verströmten den gärenden Gestank der verrotteten Kürbisse. Wenn es sich traf, dass auf den Märkten die Preise für Schweinefleisch stiegen, wurde uns zehn Tage oder einen halben Monat lang kein Fleisch verkauft, dann gab es jede Woche nur zweimal Fleisch, das war alles. Fleischgerichte gab es zwei Sorten: einmal mit gebratenem Gemüse und einmal mit geschmortem Gemüse. Und in jedem dieser Gerichte waren fünf, sechs fingernagelgroße Fleischstückchen, und diese Fleischstückchen raubten uns mehr den Schlaf, als wenn es Gold oder Perlen gewesen wären. Einmal zeigte das Rotfell an der Essensausgabe plötzlich Erbarmen, bewegte Hand und Handgelenk nicht, und mein Napf quoll über von einem guten Dutzend Fleischstücken! Das war zweifellos eine sensationelle Neuigkeit für den Knast, den ganzen Nachmittag attackierten alle hasserfüllt meine
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