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Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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einmal zurück, machte einen Ausfall von ihrem ursprünglichen Weg und sprang durch das Eisengitter.
    In der Zelle ging es drunter und drüber wie in einem Topf Reisbrei, Wan Er, der Wirrkopf, warf ein großes Kissen durch die Gegend.
    »Ein tüchtiges Vieh!«, schrie er. Zwei Typen, am Fuß des Kang, fingen an zu streiten. Eigentlich hatte Wan Li zähneknirschend seine Füße inspizieren wollen, aber der an ihn Gekettete lehnte es ab, mit den Käsequanten von jemand anderem Bekanntschaft zu schließen, aber Wan Li wollte ums Verrecken seine Hände nicht zurücknehmen. Alter Groll und neuer Hass brachen sich Bahn, mit einem Plopp rotzte er ihm einen hin, Wan Li erstarrte, hob den Arm und wollte ihm mit der Faust die Ehre zurückzahlen, aber seine Kraft löste sich am Mundwinkel seines Gegenübers auf. Die beiden waren wie zwei Meister im Schattenboxen, spielten ein bisschen vor und zurück, sie waren gleich stark. Im Weiteren spien und kauten sie einander die Spucke entgegen, aber es war kein Sieger auszumachen, also fielen sie wohl oder übel schnaufend wie die Ochsen aufs Bett und hätschelten einander in den Schlaf.
    Die Meute schaute dem Kampf mit großem Enthusiasmus zu, aber leider erschien ein Wachsoldat auf der Bildfläche.
    »Guter Kampf, morgen früh geht es weiter!«, lachte Wang Er.
    Nachdem Wan Li und Wang Er vier Tage aneinandergekettet waren, machte sich auch ihr Nachbar eines Regelverstoßes schuldig, und der Sanfte Liu kam auf die schrullige Idee, alle drei zusammenzuketten. Der Spaß uferte aus, Wan Li war außer sich, gab einen lauten muhenden Laut von sich und bekam wieder einen epileptischen Anfall. Er verzerrte Nase und Mund, spannte alle viere an, und seine Knochen schlugen dumpf gegen die Dielen des Kang. Die anderen zwei Involvierten wurden davon völlig überrascht und bildeten Maul an Nase und Körper an Körper mit dem Epileptiker ein Knäuel. Als er sich auf die Knie gekämpft hatte, schrie er »Meldung«, er war voller Panik.
    Wan Li fiel wie ein Brett nach hinten, eine von Landräubern geraubte, doch auf den Tod nicht willige hässliche Bäuerin. Der Wachsoldat trat auf den Plan, wandte sich eilig an den zuständigen Regierung, und nach ein paar Minuten kam der Sanfte Liu mit dem Gefängnisarzt, einem Rotfell, in die Zelle. In diesem Moment kämpften die beiden an Wan Li geketteten anderen mit ihm, es ging hoch und runter wie beim Sägen, die Kraft eines Epileptikers ist ungewöhnlich groß, die drei hatten schon vier-, fünfmal unfreiwillig miteinander intime Bekanntschaft gemacht, es gab bei allen dreien kein Stück heile Haut mehr.
    Der Arzt krempelte die Ärmel hoch und mogelte sich nach vorn, griff mit der Linken die Schulter, zwickte mit der Rechten die Oberlippe am Philtrum des Wahnsinnigen, Wan Li stöhnte, spuckte weißen Schaum, der Arzt zog die Hand zurück und schlug zweimal in dieses schmutzige Gesicht, aus dem ein langer, stinkender Seufzer kam, die Brust von Wan Li sank beträchtlich zusammen, der Arzt hielt sich die Nase zu und rief: »Gut!«
    Der Sanfte Liu war ungewöhnlich nachsichtig und löste fünf Tage vor der Zeit die Fesseln. Wang Er war so dankbar, dass er den verdreckten Wan Li aufrichtete, die beiden knieten an dem Rand des Kang und machten Kotau bei Liu. Der Sanfte Liu meinte verdrießlich: »Nicht immer dieses feudalistische Zeug!«, und machte sich ärgerlich davon.
    Wang Er säuselte ihm nach: »Ich habe mich ein paar Jahrzehnte in der Weltgeschichte herumgetrieben, bin kalt wie Stein, aber so grausam wie ein Knastbulle, nein!«
    Nach dieser Katastrophe wurde Wan Li von Wang Er offiziell zum Chef der Felldiebe ernannt und hatte sich fortan um sieben Landeier zu kümmern. Wenn ein neuer Beamter seinen Dienst antrat, rief Wang Er zuerst alle auf, für Winterklamotten zu sammeln, um den neuen Felldiebchef vom Kopf bis zu den Füßen neu einzukleiden.
    »Von heute an bist du ein toller Hecht und lässt die Landwirtschaft hinter dir!«, spottete unser Außenminister, der alte Bai, »du hast noch keinen Kotau gemacht vor unserem Paten!«
    Wan Li fühlte sich geschmeichelt, schlug mit dem Kopf gegen den Boden, Wang Er nahm ihn hoch und sagte: »Meine Knastfamilie besteht bereits aus einer Frau und drei Kindern, du solltest selbst eine Familie gründen, um der staatlichen Geburtenplanung zu entsprechen.«
    Wan Li zog sich murmelnd zurück. Wang Er gab die Anweisung, die verdreckten Klamotten, die er abgelegt hatte, wegzuwerfen, was Wan Li im Herzen weh tat. Wang

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