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Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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dazu zu bringen, voranzumachen. In ziemlichem Tempo ging es zum Chaotiannen-Kai hinunter, aber erst als wir in dem kleinen Passagierboot saßen, bemerkte ich, dass Wan Xia mich voller Unzufriedenheit ansah.
    Das Boot setzte sich in Bewegung. Unsere Plätze waren direkt neben dem Maschinenraum, der Lärm war ohrenbetäubend. Mir blieb nichts anderes übrig, als Wan Xia unsere Pläne und die Handlung des Films hinüberzubrüllen, Wan Xia brüllte zurück: »Kleinigkeit! Kleinigkeit! Wir brauchen kein Drehbuch! Nur ein paar mehr Studio- und Außenaufnahmen, Action, Großaufnahmen von Gesichtern; wir müssen etwas Referenzmaterial auftreiben, historisches, realistisches, nichts Halbes und nichts Ganzes, wir brauchen die Operationsszene aus dem Dokumentarfilm der naturwissenschaftlichen Erziehung; Gaddafi, Khomeini, bürgerlicher Alltag, explodierende Atombomben, der Vorsitzende Mao, wie er achtmal die Roten Garden empfängt … das Ganze ritsch, ratsch geschnitten, und alles ist paletti.«
    »Danke für die Vorschläge, trotzdem, wir haben schon einen Regisseur. Er ist Maler, von der Kunstakademie, außerdem ist er Dekorateur, sein Gefühl für Kunst ist klasse.«
    »Schick ihn in die Wüste, ich mache die Regie!«
    »Das geht nicht.«
    »Schon schön, wie du an andere denkst, Liao Yiwu! Warum hast du denn von so einem tollen Unternehmen keinen Ton gepfiffen?!« Wan Xia kochte.
    »Kannst du immer noch nicht mit einer Kamera umgehen?«
    »Was braucht ein Genie wie ich eine Scheiß-Kamera?! Zeng Lei macht die Aufnahmen, ich stehe daneben und schaue zu, das Resultat wird absolut erstklassig. Überleg doch mal, die wildesten Avantgarde-Poeten Chinas und sollen nicht so ein Filmchen fertigbringen? Lächerlich!«
    »Sollen wir mit zwei Regisseuren arbeiten? Das müssen wir mit den anderen besprechen.«
    »Du wirst doch so einen fetten Job nicht an jemanden von außen geben?!«
    »Und wenn?«
    »Ich bleibe dir auf den Fersen, wenn es so weit ist, stelle ich mich vor die Linse, Ende der Fahnenstange.«
    »Bist du so scharf darauf, berühmt zu werden?«
    »Das ist zweitrangig«, in seiner Verzweiflung sagte er die Wahrheit, »ich will in die Literaturgeschichte, ich will, was alle wollen, was wir alle wollen.«
    Er saß da wie ein Stutzer und schaute geradeaus, auf den langen Fluss der Geschichte, diesen reißenden Fluss, und dann verkündete er, indem er nach jedem Wort eine Pause machte: »Wenn ich dabei bin, dann wird das Epoche machen!«
     
    Das Boot kam mitten in der Nacht in Fuling an. Wenn man vom Kai nach oben sah, die Nachtsilhouette der Bergstadt wirkte noch immer wie ein gewaltiger Dampfer auf dem Weg ins Weltall. Ich hatte nicht damit gerechnet, noch einmal zurückzukommen. Wir stiegen die Anhöhe hinauf, und als ich die vertrauten Lichter sah, beschleunigte ich meinen Schritt, um den düsteren, kalten Nebel, der über meinem Herzen lag, durch Tempo aufzulösen. Als wir auf unserem Stockwerk angekommen waren, donnerte ich gegen die Tür: »Wu Bin!«
    Daraufhin fingen zwei Hunde einen Lärm an, als wollten sie uns zerreißen. Liu Xia stand hinter uns und kicherte wie ein schüchternes Fräulein. A Xia kam aus dem Schlafzimmer und rieb sich die Augen: »Auch schon zurück?«, muffelte sie. Wie immer.
    Liu Xia ging in die Küche und machte uns ein paar Nudeln, in aller Eile führte ich Wu Bin seine kurzfristige Filmkarriere in glühendsten Farben vor Augen, er hatte ziemliche Zweifel. Liu Xia streckte den Kopf aus der Küche und bestätigte: »Bartgesicht, du kannst schräge Berglieder singen, du kannst in der neuesten Mode herumlaufen, du kannst Feuertopf machen, das heißt aber noch lange nicht, dass du als Schauspieler was taugst. Als ich das letzte Mal aus Tibet zurückgekommen bin, habe ich einen Abstecher hierhin gemacht, ich habe nur gefressen und geschlafen, geschlafen und gefressen, ich habe gelebt wie ein Schwein, also sehr glücklich.«
    »Ich darf nichts Scharfes essen«, sagte Wu Bin, »wenn ich nur Feuertopf höre, bleibt mir schon die Luft weg.«
    »Ich mache morgen einen Feuertopf mit Bouillon«, verkündete ich und mit guter Laune, »ich garantiere dir, wenn du das schluckst, fällst du vom Stuhl.«
    »Mit deiner Kochkunst?« Wan Xia rümpfte die Nase.
    »Unser Bartgesicht ist ein klasse Koch!« Liu Xia versuchte, mir zu schmeicheln.
    »Wan Xia ist echt ein klasse Koch«, entschied A Xia, »da kommt das Bartgesicht nicht ran.«
    »Die Leute aus dem Norden haben grundsätzlich keinen Geschmack!« Wan

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