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Für ein Lied und hundert Lieder

Für ein Lied und hundert Lieder

Titel: Für ein Lied und hundert Lieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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die das Wasser und den Tee holten.
    »Und dann noch die hübschen Schauspielerinnen«, fügte Liu Taiheng hinzu. Wir aßen zusammen mittag, dann ging es weiter mit der Hochstapelei, bis Zeng Lei auftauchte und mit der Bemerkung »Und das Skript?« die Tür hereinkam.
    »Hier!« Taiheng reichte ihm ein Notizbuch. Zeng Lei schoss zurück: »Ich rede von einem Drehbuch. Wie wollt ihr ohne Drehbuch einen Film machen?«
    »Wir haben schon so viele gute Einfälle gehabt«, sagte ich bedauernd, »warum haben wir die nicht festgehalten?«
    Daraufhin saßen alle herum, als hätten sie ein Lineal verschluckt, und schwiegen andächtig, dann wurde das Drehbuch besprochen.
    Gegen Abend hatten wir ein weitschweifiges Skript zusammen.
    Der Literaturkritiker Ba Tie war schweißgebadet von der Anstrengung: »Das hat nicht genug Tiefe«, verkündete er mit dem ernsten Tonfall des Theoretikers, »das muss man unbedingt noch einmal sichten!«
    Zeng Lei wurde blass: »Noch mal überarbeiten? Wenn wir so weitermachen, drehen wir in einem Jahr noch, wer soll denn das bezahlen?«
    »Lass unseren guten Ba Tie nur machen, der kürzt es«, sagte Li Yawei, »der ist an so ein endloses Gelaber gewöhnt.«
    Ba Tie schnüffelte sich wie ein gutmütiger Hund mit großen Ohren Seite für Seite durch das Manuskript und meinte bedauernd: »Das ist Abschnitt für Abschnitt ausgezeichnet!«
    Liu Taiheng als Manager des Ganzen führte uns zum Essen aus, natürlich alles für das Geld, das unsere Brüder im Geiste gesammelt hatten. Er bestellte acht Gerichte und eine Suppe, dazu gab es Schnaps. Bei dem Gelage tauchten ständig irgendwelche fremden Gesichter auf. Jedes Mal, wenn ich ein überraschtes Gesicht machte, trat mir der alte Liu gegen das Schienbein oder zwickte mich.
    Im entscheidenden Augenblick kam Zeng Lei halb betrunken auf mich zu, zog mich hoch, und wir gingen. »Lasst es mal gut sein für heute«, Li Yawei stellte sich uns in den Weg, »jetzt wird erst mal einer gehoben!«
    »Wichtige Angelegenheiten!«, sagte Zeng Lei mit unbewegter Miene, typisch Soldat. Im Gebäude der Filmakademie war es stockdunkel, ich tastete mich mit Händen und Füßen nach oben, die Schritte hallten und dehnten sich aus, es war, als kämen unsichtbare Gestalten aus allen möglichen Türen. »Das Labyrinth von Borges«, dachte ich und verlangsamte unweigerlich meinen Schritt. Sofort rief Zeng Lei in der Dunkelheit: »Beeil dich!«
    »Hier stinkt es ja regelrecht nach Alkohol, scheußlich«, schnaufte ich.
    »Vor ein paar Tagen abends ist ein Student in einem Anfall geistiger Umnachtung von ganz oben, von unter dem Dach, den Lichtschacht des Treppenhauses heruntergefallen, er ist wie ein Geschoss runter und aufgeklatscht, eine richtige Lache aus Blut und Gehirn. Liebeskummer. Als man ihn weggeschafft hatte, kamen Reinigungskräfte und haben mit zwei Kanistern Alkohol alles abgewaschen, daher der Geruch.«
    »Kein gutes Omen!«, murmelte ich, »aber wer weiß, kein Unglück so groß, hat ein Glück im Schoß.«
    »Unser ›Requiem‹«, korrigierte Lei Zeng, »gilt auch ihm.«
    Wir tasteten uns in den Senderaum.
    »Eine Pause?«, fragte Zeng Lei.
    »Keine Pause.«
    Mein Kopf war voll von einer dünnflüssigen Masse Mensch, ich wusch mir mit kaltem Wasser das Gesicht, auch der Wasserhahn troff von Alkohol: »Ich fühle mich gut.«
    Das Aufnahmestudio sah aus wie ein Goldfischaquarium, Zeng Lei brüllte etwas, ich konnte keinen Ton hören. Ich sah durch das Glas lediglich, dass er das Maul aufriss. Ich bewegte die Hand, wischte mit dem Ärmel über das Megaphon, es machte einen Mordslärm. Zeng Lei schüttelte sofort den Kopf und stellte als Zeichen das Aufnahmegerät aufrecht hin. Die Schatten, die sein Körper warf, sahen aus wie gewaltige schweigende Flügel, als sei es am Ende der Welt.
    »Fliegen«, sagte ich, »Millionen Jahre fliegen.«
    Zeng Lei schüttelte abermals den Kopf. Ich wurde von einem mechanischen Heiligen Vater kontrolliert. Ich musste Reue zeigen. Die Lichter vor dem Aufnahmestudio gingen eins nach dem anderen aus, das Sausen, mit dem schwermütige Wogen mein Inneres pressten, verstopfte mir die Ohren, ich wurde im Weltall hin und her geworfen, versuchte, etwas zu fassen, ich stieß gegen eine Schreibtischkante, die härter war als die Planken eines Schiffsdecks. Ich las. Jedes Zeichen war ein Licht, das von neuem das Meer des Nichts aufflammen ließ.
    »Ist dein Rachen aus Fleisch, oder was?«, brummte Zeng Lei, »es wird absurd.«
    Als wir zu

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