Für eine Nacht
getroffen. Ich musste einen Darlehensvertrag unterschreiben und mich auf das Wort dieses Bastards verlassen, dass er mich nicht irgendwann einmal zur Rückzahlung zwingen würde. Und genau das hätte er getan, wenn ich mich Jacqueline wieder genähert hätte.« Er schüttelte verzagt den Kopf. Sloane konnte den Schmerz, der von ihm ausging, fast greifbar spüren; eine Trauer wegen all der Dinge, die er getan hatte – und nicht getan hatte. »Und eines kann ich dir sagen – es war eine hübsche Summe, die ich kassiert habe. Das Geld hätte ich ihm in zehn Leben nicht zurückzahlen können.«
Sloane atmete tief aus und stellte erst jetzt fest, dass ihre Atemluft kleine Wölkchen vor ihrem Mund bildete. Wenn sich das verflixte Fenster doch nur schließen ließe , dachte sie, während sie sich mit den Händen über die Arme rieb. Noch nicht einmal ihre Jacke spendete ihr noch Wärme.
»Aber trotz allem hätte mich keine Drohung deines Großvaters von Jacqueline fern halten können, wenn ich sie hätte zurückerobern wollen.« Samson schien die Kälte in der Hütte gar nicht zu bemerken, so sehr konzentrierte er sich auf seine Erinnerungen an die Vergangenheit. »Aber als ich sie ausfindig machte, um zu sehen, ob es ihr gut geht, war sie schon
mit einem anderen verheiratet. Sie wirkte glücklich und zufrieden, und sie hatte es gut bei diesem Mann. Er konnte ihr all das bieten, was ich ihr nie hätte geben können. Niemals.« Er wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. »Also kehrte ich nach Hause zurück.«
»Und da hast du dich dann in deine selbst gewählte Einsamkeit zurückgezogen.« Sloane sah allmählich klar. Jetzt verstand sie, wie er zu einem menschenscheuen Einsiedler hatte werden können.
»Ich wollte mit den Leuten in dieser Stadt nichts mehr zu tun haben, ich konnte es einfach nicht ertragen.« Er fuhr mit der Hand durch die Luft, als wolle er sämtliche anderen Menschen aus seinem Leben auslöschen. »Aber sie waren hartnäckig. Pearl brachte mir Brownies, und Izzy und Norman schickten mir nach dem Tod meiner Mutter ständig warme Mahlzeiten. Aber ich wollte ihr Mitgefühl nicht. Und als sämtliche Versuche, sie höflich abzuwimmeln, nichts fruchteten, verlegte ich mich auf Grobheit. Das half.« Er reckte das Kinn vor. »Nach kurzer Zeit wollte niemand mehr etwas mit mir zu tun haben, und ich hatte meine Ruhe.«
Der Anflug von Stolz, der in seiner Stimme mitschwang, klang aufgesetzt. Sloane spürte, wie tief ihn die Trennung von Jacqueline und dann der Verlust seiner Familie getroffen haben musste.
»Du musst sehr einsam gewesen sein.« Sie neigte den Kopf zur Seite und wartete darauf, dass er beteuerte, sehr gut ohne andere Menschen auskommen zu können.
Samson hatte sich bewusst für ein Dasein am Rand der Gesellschaft entschieden. Trotzdem versetzten seine nächsten Worte sie in Erstaunen. »Es war ein Leben, wie ich es meinem ärgsten Feind nicht wünschen würde«, murmelte er, erhob sich und ging langsam vor dem Fenster auf und ab. »Aber ich
bin zurechtgekommen. O ja, ich bin ganz gut zurechtgekommen.« Er straffte sich, und Sloane sah wieder den Einsiedler vor sich, als den er sich der Welt präsentierte.
»Ich weiß, dass du zurechtgekommen bist, aber gib doch wenigstens zu, dass es dir besser hätte gehen können.« Sloane folgte seinem Beispiel, stand auf und reckte sich, um ihre verkrampften Muskeln zu lockern. »Nun ja, jetzt hast du Familie. Jetzt hast du mich am Hals«, sagte sie, indem sie sich seiner früheren Worte bediente.
Er würde schon noch merken, dass Sloane Carlisle keine Frau war, die schnell aufgab. Samson mochte auf Zuneigungsbekundungen keinen Wert legen, aber er würde sie trotzdem bekommen. Sloane war seine Tochter, sein Fleisch und Blut, die einzige Verwandte, die er auf der Welt hatte. Es war an der Zeit, dass er sie endlich in die Arme nahm.
Sie ging einen Schritt auf ihn zu, am offenen Fenster vorbei, und drehte sich um, um ihn in die Arme zu nehmen. Im selben Moment ertönte ein lauter Knall, ein sengender Schmerz schoss durch ihre linke Schulter, und sie wurde gegen die Wand geschleudert. Mit einem lauten Aufschrei tastete sie nach ihrer Schulter, während grellweiße Blitze vor ihren Augen zuckten.
»Mädchen, was machst du denn für Sachen?« Samson packte sie, drückte sie auf den Boden nieder und kniete sich neben sie. »Ganz ruhig.« Er schob ihre Hand weg, um ihre Schulter zu untersuchen.
Sloane blickte auf ihre Hände hinab. War das Blut, was
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