Für einen Kuss von Frisco
sie zu ihm.
„Du solltest aber besser die Luft anhalten“, zögerte Alan reuevoll. „Ich glaube, ich rieche ziemlich übel.“
Die Kleine nickte erneut und kletterte ihm dann vorsichtig auf den Schoß.
Mia wollte die Szene eigentlich nicht beobachten, aber sie konnte ihren Blick einfach nicht abwenden. Der große Mann hielt das kleine Mädchen so vorsichtig, als sei sie zerbrechlich. Aber als die Kleine ihm die Arme um den Hals schlang, schloss er die Augen und zog sie fester an sich.
Mia war davon ausgegangen, dass er Natasha nur deshalb gebeten hatte, ihn in den Arm zu nehmen, weil er ihr ein wenig Sicherheit vermitteln wollte. Aber jetzt kamen ihr Zweifel. Möglicherweise hatte Alan Francisco vor Wut und Verbitterung schon sehr lange niemanden mehr so nah an sich herangelassen. Aber jeder Mensch brauchte Nähe und Wärme – selbst große, hartgesottene Berufssoldaten.
Mia wandte sich ab, versuchte sich auf die letzten Quadratmeter Blumenbeet zu konzentrieren, die sie noch nicht gejätet hatte. Trotzdem hörte sie Natasha sagen: „Du riechst nicht übel. Du riechst wie Mommy, wenn sie aufwacht.“
Glücklich war er offensichtlich nicht über den Vergleich. „Na toll“, murmelte er.
„Sie hat morgens immer schlechte Laune“, sagte Natasha. „Hast du morgens auch schlechte Laune?“
„Ich fürchte, im Moment habe ich eigentlich immer schlechte Laune“, gab er zu.
Natasha schwieg einen Moment und dachte darüber nach. „Dann drehe ich den Fernseher ganz leise, damit er dich nicht stört.“
Alan lachte kurz auf und zog damit Mias Blick magisch auf sein Gesicht. Wenn er lächelte, verwandelte er sich. Wenn er lächelte, sah er trotz seiner grauen Haut, seiner Bartstoppeln und seiner ungekämmten Haare atemberaubend gut aus.
„Das ist eine großartige Idee“, sagte er.
Natasha kuschelte sich an ihn. „Ich erinnere mich immer noch nicht, dass ich dich schon mal gesehen habe.“
„Das kannst du auch nicht“, gab Alan zurück. Er verzog schmerzlich das Gesicht und setzte das Mädchen auf sein anderes Bein. Offenbar war selbst ihr geringes Gewicht zu groß für sein verletztes Knie. „Als wir uns das erste Mal trafen, warst du noch bei deiner Mom im Bauch. Aber dann hast du beschlossen, dass du unbedingt ganz schnell auf die Welt kommen willst. Und du hast beschlossen, das auf dem Vordersitz meines Trucks zu tun.“
„Wirklich?“, fragte Natasha fasziniert.
Alan nickte. „Wirklich. Du bist rausgekommen, bevor die Ambulanz da war. Du hattest es so eilig, dass ich dich auffangen und festhalten musste, damit du nicht eine Runde um den Block drehst.“
„Aber Babys können doch noch gar nicht laufen!“, entgegnete das Mädchen.
„Normale Babys vielleicht nicht“, gab er zurück. „Aber du hast gleich einen Tango hingelegt, eine Zigarre geraucht und jeden angebrüllt. Junge, Junge, warst du laut!“
Natasha kicherte. „Ganz ehrlich?“
„Ganz ehrlich“, erwiderte Alan. „Bis auf den Tango und die Zigarre, aber laut warst du wirklich. Komm“, sagte er dann und hob sie von seinem Schoß. „Schnapp dir deinen Koffer, und lass uns nach oben gehen. Ich muss dringend unter die Dusche. Sehr dringend.“
Natasha versuchte, ihren Koffer zu heben, aber er war zu schwer für sie. Also versuchte sie, ihn hinter sich herzuziehen, während sie ihrem Onkel folgte. Doch die Treppe hinauf würde sie es niemals schaffen.
„Lass mich das machen“, sagte Alan, doch noch während er die Worte aussprach, huschte ein finsterer Schatten über sein Gesicht. Die Wut war wieder da, Wut und Frustration.
Mia begriff sofort, dass auch Alan Francisco es nicht schaffen würde, den Koffer die Treppe hinaufzutragen. Er brauchte eine Hand für seinen Krückstock und die andere für das Treppengeländer. Da war keine Hand mehr frei für den Koffer.
Mia stand auf und klopfte sich die Erde von den Händen. Wie immer sie es auch anstellen mochte, er würde sich gedemütigt fühlen. Also brachte sie die Sache am besten so schnell wie möglich hinter sich.
„Lass mich das machen“, erklärte sie unbekümmert und nahm Natasha den Koffer ab. Ohne Alans Reaktion abzuwarten, eilte sie damit die Treppe hinauf und stellte ihn vor Apartment 2c ab. „Ein wunderschöner Morgen, nicht wahr?“, rief sie noch, ging rasch in ihre Wohnung und holte die Gießkanne. Sekunden später war sie schon wieder draußen und lief die Treppe hinunter.
Alan hatte sich keinen Zentimeter bewegt. Nur sein Gesicht hatte sich erneut
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