Für einen Kuss von Frisco
leeren. Sich langsam zu Tode zu trinken, so wie sein Alter das getan hatte. Den Rest seines armseligen Lebens in der Vorhölle verbringen, betrunken im Wohnzimmer vor dem ständig laufenden Fernseher, damit er sich nicht ganz so allein fühlte.
Das wollte er nicht.
Du bist stark, du bist tough, du bist erfinderisch. Du wirst dich an die Gegebenheiten anpassen.
Anpassen. Das war es doch, was einen SEAL überhaupt erst ausmachte. Er musste sich immer und überall anpassen: an die Gegebenheiten, an das Einsatzland, an die dortige Kultur. Seine Arbeitsmethoden modifizieren. Auf Regeln und Gepflogenheiten pfeifen. Lernen, sich irgendwie zu behelfen.
Aber daran anpassen, an seine jetzige Situation? Sich daran gewöhnen, für immer auf einen Stock angewiesen zu sein? Für immer im Hintergrund zu bleiben, niemals mehr in vorderster Linie zu kämpfen? Wie sollte er das ertragen?
Das würde hart werden, unglaublich hart. Die härteste Prüfung, die er je hatte durchmachen müssen. Aufzugeben wäre so viel leichter.
Es wäre auch sehr viel leichter gewesen, während der Höllenwoche aufzugeben, die zermürbende, aufreibende Ausbildung zum SEAL hinzuschmeißen. Aber er war stark genug gewesen, hatte durchgehalten, während um ihn herum Männer eingeknickt und ausgestiegen waren. Er hatte allen körperlichen und seelischen Widerständen getrotzt.
Konnte er das hier auch aushalten?
Ich weiß, dass du die richtige Wahl treffen wirst.
Ihm wurde bewusst, dass er sich geirrt hatte. Ihm blieb doch eine Wahl.
Zu sterben.
Oder zu leben.
Nicht einfach sein oder nicht sein, sondern tun oder nicht tun. Er konnte sein Leben wieder in die Hand nehmen – oder sich zurücklehnen und aufgeben.
Verdammt, Mia hatte recht. Er war ein SEAL, und SEALs gaben niemals auf.
Alan Francisco sah auf das Whiskeyglas in seiner Hand. Er drehte sich um und warf es ins Spülbecken, wo es in tausend Teile zersplitterte.
Er hatte seine Entscheidung getroffen: für das Leben.
Mia raste in halsbrecherischem Tempo über die holprige Schotterpiste den Berg hinauf.
Ein paar Kilometer nur noch bis Abzweigung, die zur Hütte führte.
Entschlossen wischte sie sich die letzten Tränenspuren vom Gesicht. Wenn sie die Hütte betrat, wenn sie Alan in die Augen sah, würde er nichts anderes erblicken als ihr ruhiges Angebot von Mitgefühl und Verständnis. Seine zornigen Worte konnten sie nicht mehr verletzen, weil sie das einfach nicht zulassen würde. Um sie loszuwerden, musste er schon schwerere Geschütze auffahren.
Als sie in einer Kurve die Geschwindigkeit verringerte, blitzte plötzlich etwas Metallisches vor ihr im Sonnenlicht auf.
Ein anderes Auto kam in rasender Fahrt direkt auf sie zu!
Sie stieg voll auf die Bremse und zog ihren Wagen so weit nach rechts, dass die Zweige der Büsche am Rand der Piste gegen die Scheiben peitschten. Wie in Zeitlupe sah sie, wie das andere Auto ins Schlingern geriet, über die abschüssige Böschung ins Unterholz rutschte und gegen einen Baum prallte.
Hastig löste sie den Sicherheitsgurt, stieg aus und rannte durch das dichte Gebüsch zu dem verunglückten Wagen.
Er steckte tief im Unterholz, aber sie konnte jemanden weinen hören. Sie schob die Zweige auseinander und riss die Fahrertür auf.
Blut. Das Gesicht des Mannes war blutüberströmt, doch er bewegte sich und …
Dwayne Bell. Der Mann auf dem Fahrersitz war eindeutig Dwayne Bell, und er erkannte sie im selben Moment wie sie ihn.
„Sieh an, die Freundin. Wenn das kein glücklicher Zufall ist!“ Er wischte sich das Blut von der Stirn.
Natasha. Das leise Weinen, das war Natasha. Wie um Himmels willen kam das Kind in dieses Auto?
„Verdammt, ich muss mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe gedonnert sein“, murmelte Dwayne.
Mia wäre am liebsten davongerannt, aber die Kleine saß angeschnallt im Beifahrersitz. Sie konnte sie nicht einfach mit Dwayne zurücklassen. Vielleicht war er ja so hart aufgeschlagen, dass er benebelt war. Vielleicht würde er gar nicht merken, wenn sie …
Mia lief um das Auto herum und riss die Beifahrertür auf. Natasha hatte inzwischen den Sicherheitsgurt gelöst und sprang ihr in die Arme.
„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte Mia leise und strich dem Kind das Haar aus der Stirn.
Mit weit aufgerissenen Augen nickte die Kleine. „Dwayne hat Thomas geschlagen. Er ist umgefallen, und alles war voller Blut. Er hat ihn umgebracht. Dwayne hat Thomas umgebracht.“
Thomas? Tot? Nein!
„Ich habe geschrien und
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