Fuer immer 2 - die Liebe
belogen und getan, was du konntest, um mir zu schaden. Ich weiß nicht, warum ich überhaupt meine Zeit damit verschwende, dir zuzuhören!«
»Ich weiß, das kann ich nicht verlangen …«, sagt Veronique leise, den Blick auf den Boden gerichtet. Sie steht da wie ein Häufchen Elend, aber das macht mich nur noch wütender. »Gut, dann sind wir uns ja einig«, sage ich schnippisch und wende mich ab. Veronique greift hastig nach meiner Hand. »Cole, bitte, du kannst doch nicht einfach so gehen!«
»Rühr mich nicht an!«, zische ich und stoße sie zurück, so fest ich kann. Die Leute bleiben stehen, um zu sehen, was los ist, doch das kümmert mich nicht.
Schnell geht Rayne dazwischen und legt jeder von uns eine Hand auf die Schulter: »Hört sofort auf damit!« Hätte ich Veronique nicht die ganze Zeit fixiert, wäre es mir vielleicht entgangen: Als Rayne sie berührt, zuckt sie zusammen und ein eigenartiger Ausdruck, den ich nicht deuten kann, huscht über ihr Gesicht.
»Oh mein Gott!«, flüstert sie und schlägt die Hand vor den Mund. Auf ihren Wangen erscheinen zwei hektische rote Flecken und ich sehe, dass ihre Hände zittern. Rayne ist keine Akhet, darum habe ich keine Ahnung, was Veroniques Reaktion ausgelöst haben könnte.
»Du bist einfach völlig irre«, sage ich und kehre ihr endgültig den Rücken zu. Ich habe ihr nichts weiter zu sagen und will sie nie wieder sehen.
»Ich habe keine Lust, mir das noch länger anzuhören. Komm, Rayne, lass uns hier verschwinden.«
Ich hole das Cello aus dem Koffer und lehne es gegen meine Schulter. Das vertraute Gefühl lässt mich zum ersten Mal seit Tagen wieder wirklich tief durchatmen. Wenn ich musiziere, kann ich meine Gedanken loslassen und muss mich nicht anstrengen, denn alles fließt wie von selbst. Ich bin einfach glücklich, wenn ich ganz in der Musik aufgehen kann.
Zumindest war das früher so. Ich seufze, nehme schweren Herzens das Cello von meiner linken Schulter und lehne es stattdessen an die rechte. Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen, dass ich jetzt das Cello mit der anderen Hand halten und spielen muss. Manche sagen, es wäre ungefähr so, als ob man plötzlich mit der »falschen« Hand schreiben müsste, doch für mich fühlt es sich eher an, als sollte ich lernen, unter Wasser zu atmen – es ist unmöglich. Trotzdem sollte ich nicht undankbar sein. Griffon hat keine Kosten und Mühen gescheut, um dieses Linkshänder-Cello für mich bauen zu lassen – das wunderbarste Geschenk, das ich jemals bekommen habe –, und ich bin auch schon besser geworden. Jeden Tag geht es ein bisschen leichter, und auch wenn ich noch Lichtjahre davon entfernt bin, wieder auf einer Bühne zu stehen, kann ich immerhin schon wieder Unterricht geben.
Als ich den Bogen aufnehme, fällt mein Blick kurz auf die wulstige, rote Narbe an der Innenseite meines Unterarms, und sofort kocht die Wut auf Veronique wieder in mir hoch. Denkt die im Ernst, sie könnte mit so einer läppischen Entschuldigung alles wiedergutmachen?
Als ich nach dem Streit mit Veronique auf den Bus wartete, habe ich mehrere Anläufe unternommen, Griffon eine SMS zu schreiben und ihm alles zu berichten, aber schließlich habe ich es doch gelassen. Warum ihn auch noch damit behelligen, jetzt, wo Owen kommt. Lieber erzähl ich’s ihm irgendwann persönlich.
Ich schließe die Augen und meine Finger tasten sich unbeholfen durch ein Stück, das ich vor Jahren komponiert habe. Meistens treffe ich sogar die richtige Saite und der Ton stimmt, aber im Vergleich zu früher klingt es trotzdem schrecklich. Die Musik erscheint mir leblos, seelenlos, und je mehr ich mich anstrenge, desto schlimmer wird es. Zornig und verzweifelt gebe ich auf, lasse das Stück Stück sein und säge wütend mit dem Bogen so heftig über die Saiten, dass sie laut quietschen. Seit meinem »Unfall« musste ich die ganze Zeit eine gute Miene machen und die arme, bemitleidenswerte Musikerin spielen, die tapfer und unbeirrbar alles daransetzt, den Rückschlag mit viel Eifer und Talent wieder wettzumachen. Es wird nicht funktionieren – das ist mir inzwischen klar. Wahrscheinlich wusste ich es eigentlich schon in dem Moment, als ich im Krankenhaus aufwachte und den dicken Verband um meinen Arm sah. Der ganze Zorn und Frust, der sich seither in mir aufgestaut hat, macht sich Luft. Ich fege die Noten vom Ständer und schleudere den Bogen mit solcher Wucht durch den Raum, dass er von der gegenüberliegenden Wand abprallt
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