Fuer immer 2 - die Liebe
und scheppernd auf dem Boden landet. Eine Sekunde lang fühle ich mich besser, doch dann bekomme ich sofort Gewissensbisse. Schließlich kann das Cello nichts dafür, dass es nicht mehr so klingt wie früher. Es liegt ganz allein an mir.
Als ich hinübergehe, um den Bogen wieder aufzuheben, sehe ich plötzlich Herrn Steinbergs Gesicht im Fenster der Tür. Immerhin lese ich in seinem Blick kein Mitleid wie bei den meisten anderen, sondern er scheint sogar zu verstehen, was in mir vorgeht. Ich merke, wie ich rot werde vor Scham, weil er meinen lächerlichen Wutausbruch mit angesehen hat. Er deutet mit dem Kopf kurz nach unten in Richtung des Türknaufs, was hier so viel bedeutet wie »Kann ich reinkommen?«. Ich nicke, beuge mich dann hastig über mein Cello und fingere an den Stimmwirbeln herum. So aufgewühlt, wie ich bin, kann ich ihm nicht in die Augen schauen. Seit ich nicht mehr so spielen kann wie früher, fehlt mir ein Ventil für meine Gefühle. Das macht mich unausgeglichen und frustriert mich, auch wenn ich inzwischen weiß, dass meine Begabung kein Geschenk der Götter war, sondern einfach etwas, das ich aus früheren Leben mitgebracht habe.
Ich spüre den Luftzug, als Herr Steinberg hereinkommt und die Tür rasch wieder hinter sich schließt. »Darf ich mal hören?«
Ich zucke mit den Schultern und nestele an der Bogenspannung herum. »Da gibt’s nicht viel zu hören.«
Kleine Fältchen erscheinen um seine Augen herum, als er mir zulächelt. Seine Gegenwart habe ich in all der Zeit, die ich nicht herkommen konnte, am meisten vermisst. Fast zehn Jahre lang habe ich in der einen oder anderen Form bei ihm Unterricht gehabt, und obwohl ich weiß, dass man mir vermutlich nur aus Mitleid erlaubt, hier Cello-Stunden zu geben, bin ich froh, wieder herkommen zu können. »Ich weiß nicht, ob ich das glauben soll«, sagt er, »aber du musst nicht, wenn du nicht willst.«
»Ich bin noch nicht so weit.« Obwohl ich mir fest auf die Lippen beiße, treten mir Tränen in die Augen. Ich reiße mich zusammen, atme tief durch und bringe ein schiefes Lächeln zustande. »Selbst mit sieben habe ich besser gespielt als jetzt.«
»Wenn man bedenkt, dass du die begabteste Siebenjährige warst, die mir je begegnet ist, dann ist das gar kein schlechter Maßstab.« Er wirft einen kurzen Blick auf mein neues Cello. »Mach dir keine Sorgen, das wird wieder.« Er zögert einen Moment und fragt dann: »Hast du eine Minute Zeit? Da ist etwas im Foyer, das ich dir gern zeigen würde.«
Ich schaue auf meine Uhr. »In fünf Minuten beginnt die nächste Stunde. Was ist es denn?«
»Das wirst du dann schon sehen«, antwortet er geheimnisvoll und geht mir voraus den Korridor entlang.
Im Empfangsbereich gibt es einen Raum, in dem Familien sich aufhalten können, während eines ihrer Kinder Unterricht hat. Dort gibt es Spielzeug, Brettspiele und einen kleinen Kühlschrank voller Safttüten für die Schüler, die brav und fleißig waren. Als wir näher kommen, höre ich Kinderlachen und die gedämpften Stimmen der Erwachsenen, die sich unterhalten. Im Türrahmen angekommen, entdecke ich Griffon auf dem Sofa. Er bemerkt mich nicht gleich, denn er sitzt vornübergebeugt und ist in irgendetwas vertieft, das vor ihm auf dem niedrigen Tischchen liegt. Als er schließlich kurz aufsieht, lächelt er mich verlegen an.
»Für dich«, sagt er. »Ist aber noch nicht ganz fertig.«
Als ich hinübergehe, sehe ich, dass er auf einer Zaubertafel zeichnet. Mir bleibt die Luft weg und ich muss schlucken: Das bin ich, in einem langen, schwarzen Abendkleid, und ich spiele Cello – das Linkshänder-Cello. Das Bild ist unglaublich gut und ich bin wieder einmal total beeindruckt von Griffons Fähigkeiten. »Das ist fantastisch!«
»Das finde ich auch«, sagt Herr Steinberg und auch eine Reihe der Eltern nickt zustimmend. Ein kleines Mädchen kommt neugierig herübergeflitzt, um auch einen Blick zu erhaschen.
»Ich hab nur ein bisschen die Zeit totgeschlagen«, murmelt Griffon, so als wäre es gar nichts, so als könnte jeder sich eine Zaubertafel schnappen und innerhalb kurzer Zeit ein Kunstwerk darauf produzieren. »Ich habe Owen bei euch zu Hause abgeladen, bei Kat, und dachte, wenn ich schon in der Nähe bin, schaue ich einfach mal rein.«
»In ungefähr einer halben Stunde bin ich fertig.«
»Sehr gut.« Ein bisschen nervös fingert er an den weißen Drehknöpfen am unteren Ende der Tafel herum. »Bis dahin sollte ich hiermit auch so weit
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