Fuer immer 2 - die Liebe
ist, dass jemand sie wahrnimmt.«
Nachdenklich schaue ich dem Paar hinterher. »Oder er ist einfach ein Tourist, der die tolle Aussicht genießen wollte …«
»Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!« Die Frau hat sich umgedreht und winkt uns zu. Dabei rutscht ihr Ärmel hoch und mein Blick fällt auf das weiße, nummerierte Armband an ihrem Handgelenk – ein Patientenarmband. Daraufhin betrachte ich ihre Mütze noch einmal genauer und bemerke erst jetzt, dass keine Haare darunter hervorschauen. Und dann begreife ich: Nicht er ist es, der sterben wird, sondern sie.
»Das wünsche ich Ihnen auch!«, rufe ich zurück. Manchmal kann es verdammt wehtun, recht zu behalten.
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3
»Wann wollte Griffon Owen denn vom Flughafen abholen?«, fragt Rayne, als wir uns durch die Menge auf der Haight Street drängen.
»Ungefähr vor einer Stunde.« Ich durchwühle meinen Rucksack auf der Suche nach meinem Busticket. Wir haben den Tag über zusammen bei mir zu Hause rumgehangen, aber jetzt muss ich in die Musikschule und Cello-Unterricht geben. Zwar maule ich ständig darüber, aber insgeheim bin ich froh, dass ich eine Aufgabe habe. Wenn ich den ganzen Sommer über nichts tue, werde ich total kribbelig. »Kat wollte ihn unbedingt begleiten, aber ich hab’s ihr noch ausreden können. Schließlich ist er Owens bester Freund, und die Fahrt vom Flughafen in die Stadt wird wahrscheinlich die einzige Zeit während des gesamten Aufenthalts sein, die die beiden ungestört miteinander verbringen können.«
Rayne zieht die Nase kraus. »Glaubst du nicht, es wird ein bisschen strange, dauernd mit deiner Schwester rumzuhängen?«
»Oh ja. Und darum zähle ich voll auf deine Unterstützung. Schon seit Wochen quatscht Kat mir die Ohren voll von all den Partys, auf die sie gehen will. Du und Peter, ihr müsst unbedingt mitkommen, sonst halt ich das garantiert nicht aus.«
Rayne lacht. »Okay, abgemacht.«
Mitten im Gewühl der Touristen auf dem Gehweg spüre ich plötzlich eine Hand auf meinem Arm. Sofort weiß ich, wessen Hand das ist, und das Blut stockt mir in den Adern. Zwar hat der Sekhem sie verwarnt, aber viel mehr konnten sie nicht tun. Ich wusste, dass es früher oder später passieren würde, und habe versucht, mich für diesen Augenblick zu wappnen. Wieder und wieder habe ich mir im Kopf vorgebetet, was ich zu ihr sagen werde, und mir eingehämmert, dass ich mich auf keinen Fall einschüchtern lassen darf, sondern ihr ein für alle Mal klarmachen muss, dass ich keine Angst mehr vor ihr habe. Aber trotz aller Vorbereitung bin ich jetzt doch so überrumpelt, dass ich unwillkürlich zwei Schritte zurückweiche.
»Cole!«, ruft Veronique freudestrahlend, so als wäre mir unverhofft über den Weg zu laufen das Schönste, was ihr passieren konnte.
»Was willst du?«, frage ich und höre zu meiner Genugtuung, dass meine Stimme genauso kühl und gleichgültig klingt wie beabsichtigt.
Veronique lächelt mich an und schüttelt den Kopf. »Gar nichts. Ich habe euch drüben von der anderen Straßenseite aus gesehen und dachte, ich sage einfach mal Hallo. Lange her, was?«
Ich schaue sie an. Äußerlich sieht sie auf den ersten Blick nicht viel anders aus als vor einem Jahr, als ich ihr das erste Mal begegnete. Wie immer sitzt ihre Frisur perfekt, jede einzelne Strähne ihrer dunklen, seidigen Haare liegt genau am richtigen Platz. Doch etwas in ihren Augen lässt mich die Wahnsinnige erkennen, die Griffon dort oben auf dem Dach eine Pistole an den Kopf hielt. Fast zwei Monate sind seit diesem schrecklichen Tag vergangen, aber ihr Gesicht verrät mir, dass sich in der Zwischenzeit nicht viel verändert hat.
»Nicht lange genug«, sage ich kalt und werfe einen Seitenblick auf Rayne, die ein wenig abseits stehen geblieben ist. Ich vergesse immer wieder, dass sie, obwohl sie die ganze Geschichte kennt und zum Teil auch miterlebt hat, Veronique noch nie begegnet ist. Und ich habe ganz sicher auch jetzt nicht vor, die beiden einander vorzustellen …
»Ach, komm schon, lass uns das Kriegsbeil endlich begraben«, sagt Veronique, so als hätten wir nur einen dummen kleinen Streit gehabt, den man mit ein paar Worten beilegen kann. »Schließlich ist ja nichts Schlimmes passiert.«
»Nichts Schlimmes?«
, frage ich ungläubig und merke, dass ich immer lauter werde. Ich schaue mich kurz um, um sicherzugehen, dass uns niemand hört, und versuche, mich zu beherrschen.
»Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, hast du
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