Fuer immer 2 - die Liebe
nichts von all dem, wenn ich sie nicht angerufen hätte.
»Damit werde ich schon fertig!«, sage ich bestimmt.
»Du rührst dich nicht von der Stelle«, erwidert sie kurz angebunden. »Ich weiß, dass dir das schwerfällt, aber ab hier müssen andere übernehmen. Ich melde mich wieder.« Bevor ich noch irgendwas entgegnen kann, hat sie aufgelegt.
»Ich melde mich wieder«, äffe ich sie nach und Zander sieht neugierig von seinem Display auf. »Ärger mit dem Lover?«
»Nein«, antworte ich knapp. Meine Hände zittern, als ich das Handy zurück in die Tasche stecke. Ich werfe einen Blick auf die Wanduhr: nur noch fünf Minuten bis zum Ende des Unterrichts, aber meine Konzentration ist dahin. Ich habe das Gefühl, dass da draußen etwas Wichtiges geschieht, während ich nur in den Kulissen sitzen und abwarten soll. Ich will Veronique gegenüberstehen, ihr irgendwas Gemeines antun, so wie sie es mit den Menschen macht, die mir am Herzen liegen. Sie ist eine selbstsüchtige, wahnsinnige Rächerin, und ich will dabei sein, wenn sie endlich zur Rechenschaft gezogen wird.
»Was hältst du davon, wenn wir heute ein bisschen früher Schluss machen?«
Zander verstaut sein Handy in der Jeanstasche. »Nichts dagegen.«
»Okay. Du kannst dir einen Saft holen, aber lass dir Zeit auf dem Weg zum Kühlschrank – am besten genau fünf Minuten.«
Er stopft die Noten in seinen Rucksack und legt das Cello zurück in den Koffer. »Schon kapiert.« Ich begleite ihn bis zur Tür und halte sie für ihn auf. Bevor er hinausschlurft, sieht er mich mit einem schiefen Grinsen an und sagt: »Und denk dran, wenn es dein Lover nicht mehr bringt, komm einfach zu Zander.«
Ich bin sprachlos und ein bisschen angewidert. Auch wenn er oft nicht wirkt wie ein Kind, reicht er mir trotzdem nicht mal bis an die Schulter. »Verschwinde einfach.«
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20
Orangefarbene Wolken stehen tief am Himmel, als ich aus dem Bus steige. Eigentlich ist dieser Teil der Stadt gar nicht so weit von der Musikschule entfernt, dennoch ist er für mich wie eine fremde Welt. Ich schaue hinüber zu dem grün verglasten Uni-Gebäude, aus dem immer noch Leute kommen, obwohl anderswo längst Feierabend ist.
Ich überquere die Straße und wiederhole in meinem Kopf ein letztes Mal die Geschichte, die ich mir auf dem Weg hierher zurechtgelegt habe, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass einfach jeder x-Beliebige ein Forschungsgebäude der Universität betreten darf. Doch als ich die schwere Eingangstür öffne, sehe ich, dass die Rezeption unbesetzt ist, und bin fast ein bisschen enttäuscht, dass auch sonst keiner da ist, dem ich die hübsch ausgedachte Story erzählen kann. Nur ein paar Leute kramen auf dem Weg zum Ausgang in ihren Taschen nach den Autoschlüsseln oder tippen irgendwas in ihre Handys. Niemand nimmt Notiz von einer Sechzehnjährigen, die eindeutig nicht hierhergehört. Ich stelle fest, dass alle Türen – auch die zu den Aufzügen – mit Codekarten funktionieren und ich deswegen ohne wahrscheinlich nicht sehr weit kommen werde. Mit einem hellen
Pling
öffnen sich die silbernen Lifttüren und ein älterer Mann in einem schwarzen Hemd tritt heraus.
»Halt, bitte warten Sie, ich muss nach oben!«, rufe ich und sprinte los.
Ohne den Blick vom Display seines Handys zu heben, legt er automatisch eine Hand auf die Lichtschranke und wartet, bis ich den Aufzug erreicht habe. »Vielen Dank«, sage ich ein bisschen außer Atem. »Wissen Sie, meine Cousine arbeitet hier, und ich …« Doch ehe ich den Satz beenden kann, hat er schon die halbe Eingangshalle durchquert. Ich drücke auf den Knopf mit der Fünf und frage mich, ob Janine und die anderen vom Sekhem schon oben sind. Für ein Taxi hatte ich nicht genug Geld dabei und der Bus fuhr nur im üblichen Rushhour-Schneckentempo, darum habe ich länger gebraucht, als ich gehofft hatte.
Als die Fahrstuhltüren sich im fünften Stock öffnen, empfängt mich ein leerer Gang – ob ich doch als Erste gekommen bin? Ein bisschen unschlüssig bleibe ich stehen und überlege. Eigentlich hatte ich mir vorgestellt, ich würde einfach bloß zusehen, wie die vom Sekhem Veronique fertigmachen. Ich hatte nicht damit gerechnet, hier ganz allein zu sein. Na ja, lange kann es ja nicht mehr dauern, bis die anderen eintreffen … Ich werfe einen Blick auf die geschlossenen Fahrstuhltüren und erkenne im matten Silber verschwommen mein Spiegelbild: Schmal und zerbrechlich sehe ich aus, wie jemand, der sich in die
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