Fuer immer 2 - die Liebe
du dir das vorstellen? Sie kann nicht sprechen, weil sie immer noch an der Beatmungsmaschine hängt, aber sie haben ihr eine Tafel zum Schreiben gegeben.«
»Was … wie …?«, stottere ich.
Sie zuckt die Schultern und nimmt mich kurz in den Arm. »Sie haben herausgefunden, dass es irgendeine verrückte Krankheit ist, von der sie dachten, sie sei schon lange ausgestorben. Jetzt können sie ihr die entsprechenden Medikamente geben. Es ist wie ein Wunder. Wenn sie weiter solche Fortschritte macht, können sie sie morgen oder übermorgen von der Beatmungsmaschine abnehmen. Willst du zu ihr?«
»Klar will ich das.« Ich folge ihr durch die Flügeltür und kann immer noch nicht fassen, dass sie Giselle tatsächlich geglaubt haben. Die Atmosphäre im Zimmer ist vollkommen anders, so als hätte jemand den bedrückenden Schleier, der über allem lag, weggezogen. Als ich den Vorhang beiseiteschiebe, sieht Rayne mir direkt in die Augen. In ihrem Blick liegt eine Mischung aus Schmerz und Erleichterung. Schwach, aber deutlich gibt sie mir mit der Hand ein Zeichen, dass ich näher kommen soll.
Raynes Mom beugt sich zum Bett hinunter: »Ich gehe ein paar Zitronenstäbchen besorgen, okay? Die Schwestern haben gesagt, du darfst noch welche haben. Bin gleich wieder da.« Mit einem kleinen Nicken zeigt Rayne, dass sie alles verstanden hat.
Ein wenig unsicher stehe ich neben dem Bett und kann die plötzliche Veränderung noch gar nicht richtig verdauen. Rayne zeigt mit dem Finger auf das Tischchen am Fußende. Ich halte die Tafel und reiche ihr den Stift. Sie kann ihre Hände noch nicht wieder richtig bewegen, darum hält sie ihn mit der ganzen Faust umklammert.
Das warst du
, schreibt sie in riesigen, krakeligen Buchstaben, die man kaum entziffern kann.
»Ich? Was war ich?« Sie deutet bekräftigend mit dem Kopf auf die Tafel. Dann schreibt sie:
Konnte dich fühlen
. Sie setzt den Stift ab. All das strengt sie noch sehr an, und sie braucht einen Moment, ehe sie weiterschreiben kann.
Hier
.
»Ja, ich war die ganze Zeit hier«, sage ich.
Gerettet
, schreibt sie, dann muss sie endgültig den Stift absetzen, sie ist zu erschöpft. Sie sieht mich mit großen Augen an und wartet auf eine Erklärung.
Ich schaue mich um: Die Schwestern sind alle mit anderen Patienten beschäftigt. Ich beuge mich ganz nah zu ihr. »Ich habe nur geholfen, rauszufinden, was mit dir los ist. Griffon hat die Diagnose gestellt und gewusst, wie man es behandeln muss.«
Sie deutet mit dem Finger Richtung Boden, und ich verstehe sofort, was sie meint. »Ja, Griffon war hier. Und natürlich Peter. Er ist bestimmt noch irgendwo in der Nähe …« Sie sieht mich mit großen Augen an, und ich weiß genau, was sie mich fragen will. »Nein, zwischen Griffon und mir hat sich nichts geändert, aber das ist jetzt nicht so wichtig. Wichtig ist, dass er herausgefunden hat, was dir fehlt, und dass du wieder gesund wirst.«
Sie schließt die Augen und eine einsame Träne rollt ihre Wange hinab, sie ist total fertig. »Ich werde mal nachsehen, wo Peter steckt«, sage ich, aber sie ist schon eingeschlafen. Sanft streiche ich mit der Hand über ihre Wange, um die Träne wegzuwischen, und da spüre ich es. Fast erschrocken ziehe ich schnell die Hand zurück, dann berühre ich ihre Wange ganz vorsichtig noch einmal. Kann das wirklich sein? Ich lasse meine Hand eine Weile dort liegen, um ganz sicherzugehen.
Kein Zweifel, was ich spüre, sind die Schwingungen, die ich in den letzten Monaten zu erkennen gelernt habe. Fassungslos sehe ich Rayne an. Während all der verrückten Geschehnisse der letzten Tage ist mir diese Möglichkeit niemals auch nur in Sinn gekommen, doch es ist tatsächlich passiert. In ihrem Wahnsinn, in ihrer verzweifelten Verblendung hat Veronique es wirklich geschafft.
Rayne ist jetzt Akhet.
* * *
Nur mit halbem Ohr höre ich zu, wie Zander eins meiner Lieblingsstücke massakriert. Auf dem Notenständer liegt mein Handy, und alle paar Sekunden starre ich es an, damit es endlich klingelt. Rayne und ihre Mom haben darauf bestanden, dass ich mit meinem Leben weitermache, doch egal, wo ich bin, meine Gedanken kreisen immer nur um Rayne. Auf dem Weg vom Krankenhaus zur Musikschule habe ich Janine mindestens fünf Nachrichten hinterlassen, weil ich unbedingt mit jemandem darüber sprechen muss, aber sie hat immer noch nicht zurückgerufen. Ich gebe ihr noch bis um fünf Zeit, wenn sie sich bis dahin nicht gemeldet hat, fahre ich allein zu Veroniques
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