Für immer, Dein Dad
verlieren.»
«Willst du damit sagen, dass Dad ein schlechter Vater gewesen ist?», fragte ich. Ihre Worte kamen bei mir immer noch nicht an.
«Er war ein
wundervoller
Vater, nur als Ehemann hatte er eben seine Fehler.»
Inzwischen strömten mir die Tränen übers Gesicht, ein endloser Fluss aus Enttäuschung, Frustration, Schmerz und Traurigkeit. Ich hörte sogar einen Schrei – und es dauerte ein paar Sekunden, bevor mir klar wurde, dass er aus meinem eigenen Mund gekommen war.
An alles, was danach kam, erinnere ich mich nicht mehr genau. Mum zog mich in ihre Arme. Hielt mich fest. Mein ganzer Körper bebte, während sie mir beruhigende Worte ins Ohr flüsterte. Mir übers Haar strich. Mich auf die Stirn küsste. Mir sagte, dass sie mich liebte.
Und dann erinnere ich mich an nichts mehr.
Jeder wird eine von diesen Kodak Disc-Kameras haben. Um all die wundervollen Momente im Familienleben festzuhalten.
Ich lag auf meinem Bett und sah zur Decke hinauf. In den letzten vierundzwanzig Stunden war so viel passiert. Ich hatte Corey gesagt, dass ich ihn liebte, Derek war zusammengebrochen, und ich hatte erfahren, dass sich meine Eltern hatten scheiden lassen wollen.
Dann klingelte das Telefon. Ich hoffte, es wäre Carla, doch dann hörte ich Coreys Stimme, die auf den Anrufbeantworter sprach. Ich nahm nicht ab. Es war an der Zeit, die allerletzten Seiten des
Leitfadens
zu lesen.
Letzte Worte (Ja, ja, ich weiß … aber ich muss eben immer das letzte Wort haben!).
Liebling …
… Du kannst Dir nicht vorstellen, wie schwer das für mich ist. Ich bin am Ende Deines Leitfadens angekommen.
Ich hoffe, Dir hat die gemeinsame Zeit gefallen, die wir auf diesen Seiten miteinander verbracht haben. Ich habe sie sehr genossen, denn ich war die ersten fünf großartigen Jahre Deines Lebens bei Dir, und die Vorstellung, später nicht mehr mit Dir zusammen sein zu können, war mir absolut unerträglich. Außerdem hat es mir Angst gemacht. Diesen Leitfaden zu schreiben hat mir geholfen, ein bisschen besser mit dieser Angst umzugehen.
Du sollst jedenfalls keine Angst haben.
Vor nichts.
Ich werde immer für Dich da sein. Versprochen. Aber jetzt muss ich gehen. Wir haben beide gewusst, dass dieser Tag kommen wird, denn a) musste ich irgendwann aufhören zu schreiben und b) kann ich Dir bei Problemen, die Du vielleicht mit über dreißig haben wirst, nichts raten, weil … ich selbst nur dreißig geworden bin.
Aber denke daran, dass Du trotzdem immer wieder in demLeitfaden lesen kannst – in UNSEREM Leitfaden. Vielleicht nützt Dir ja einer meiner Ratschläge auch später noch, vielleicht aber schüttelst Du auch nur den Kopf.
Also nimm nicht alles ganz so ernst, was ich geschrieben habe, mein Schatz … ich wollte einfach etwas mit Dir teilen, eine Verbindung zu Dir aufbauen, die länger hält, als ich bei Dir sein kann. Also, meine wunderschöne, tapfere Lois, hier folgen ein paar letzte Worte von Deinem Dad:
Es wird Zeiten geben, in denen Dir Dein ganzes Leben wie ein einziger Kampf erscheint. Zeiten, in denen Dir das Herz wehtut, in denen Du wirklich leidest, weil Dir eine bestimmte Person oder eine Sache fehlt, ohne die Du Dir Dein Leben nicht mehr vorstellen kannst. Aber plötzlich, zack! – waren sie ohne Vorwarnung verschwunden. Und Du willst sie einfach nur mit jeder Faser Deines Körpers und Deines Herzens zurückhaben.
Aber sie kommen nicht zurück. Es ist unmöglich. Ganz gleich, wie laut Du schreist oder wie sehr Du es Dir wünschst – manche Dinge und Personen können nicht mehr in Dein Leben zurückkommen.
Und dann?
Vielleicht wirst Du melancholisch, setzt Dich auf Dein Sofa, starrst deprimiert Löcher in die Luft und hoffst heimlich darauf, dass ein Wunder geschieht. Oder Du sitzt neben dem Telefon und wartest darauf, dass Dich jemand anruft, um Dir zu sagen, alles sei nur ein riesiger Irrtum oder ein Missverständnis. Du würdest alles akzeptieren, nur nicht die Realität, so wie sie ist. Aber so etwas passiert einfach nicht. Es tut mir leid, ich kann Dir nichts anderes sagen, weil es die Wahrheit ist.
Ich weiß, das ist schwer zu akzeptieren. Und noch schwerer ist es, damit klarzukommen.
Aber weißt Du was? Du kannst und wirst mit der Realität fertigwerden. Die Zeit wird Dir helfen, Lois, sie hilft immer. Zuerst kannst Du es Dir vermutlich nicht vorstellen, aber wenn Zeit vergangen ist, Tag für Tag, wirst Du irgendwann feststellen, dass Du trotz allem noch da bist, atmest,
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