Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
die traurige Mitteilung machen, dass mein Vater Alexej gestern verstorben ist. Sein Herz hörte plötzlich auf der Straße auf zu schlagen. Ich glaube, die Aufregung war für ihn zu groß.
Wir sprechen sehr oft von Ihnen. Mein aufrichtiges Beileid und beste Grüße, Ada Dimitrowa.« Darüber stand das Datum 29. 12. 89 sowie eine Adresse und Telefonnummer.
Noch in Parr’s hatte Bud anhand des Datums festgestellt, dass dieser fremde Tote eine Woche vor ihrem Großvater verstorben war. Die Adresse befand sich in Osteuropa, sodass die Post mehrere Tage gebraucht hatte, um England zu erreichen. Es erschien daher sicher, dass das Foto in jenem Umschlag mit den fremdländischen Briefmarken gesteckt haben musste, den sie damals von der Fußmatte aufgehoben und der die zerstörerische Wirkung auf ihre Großmutter gehabt hatte. Aber weshalb? Falls Celia eine außereheliche Affäre gehabt hatte, wie Jenny Granger vermutete, dann doch sicher nicht mit diesem einsam in seinem Sarg liegenden, alten Mann? Und selbst wenn, dann hatte dieser viele Jahre zurückliegende Trip nach Osteuropa nur eine Woche gedauert. Wie sollte die Erinnerung an eine flüchtige Begegnung noch nach Jahren eine derartige Erschütterung bewirken können?
Vielleicht hatte der Mann viele Freunde gehabt. Vielleicht war er zum Zeitpunkt des Fotos umgeben von Trauernden. Zum ersten Mal kam Bud der Gedanke, dass ein Foto nicht unbedingt die ganze Wahrheit vermittelte.
Bud hatte Parr’s verlassen, ohne ihre Entdeckung zu verraten. Dazu war im Augenblick die Kluft zwischen ihr und ihrer Familie zu groß. Außerdem hatte sie in ihrer Wut, und ohne um Erlaubnis zu fragen, einen weiteren Gegenstand mitgehen lassen. Sie hatte schweigend auf dem Rücksitz von Roberts Wagen gesessen – Sarah als gute Fahrerin hinter dem Steuer, Margaret schniefend und die Tränen trocknend auf dem Beifahrersitz – und immer wieder nach dem Gemälde getastet, das sie in ihrer Tasche versteckte. Sie wusste, wie kostbar es ihrer Großmutter gewesen war. Und jetzt fügte es sich harmonisch in das Puzzle ein. Bud war sicher, dass kein anderer es haben wollte. Sie legte es neben das Foto auf den Couchtisch. Wie düster und deprimierend es doch war – die Reitersoldaten in ihrem ewigen Galopp. Betrachtete man es jedoch aus einem bestimmten Blickwinkel, dann erhellte ein schwaches, fernes Leuchten den dunklen Himmel wie ein Silberstreif am Horizont.
Was die Nachricht auf der Rückseite betraf – sie erinnerte sich, dass sie vor zwanzig Jahren geschrieben worden war und es daher wahrscheinlich schien, dass sich Ada Dimitrowas Adresse geändert hatte. Sollte die Telefonnummer noch dieselbe sein, würde diese Frau dann überhaupt mit einer fremden, jungen Engländerin sprechen wollen? Aber was noch entscheidender war, wollte Bud wirklich wissen, in welcher Beziehung der fremde alte Mann zu ihrer Großmutter gestanden hatte? War es nicht besser, die Vergangenheit ruhen und dem Verfall zu überlassen, wie die zu Asche verbrannten Berge von Briefen und Tagebüchern, die vermutlich noch auf der Wiese unterhalb von Parr’s im Feuerhaufen schwelten?
Bud schlug kurzerhand die Ländervorwahl nach und wählte die Nummer. Der Rufton ertönte fünfmal. Dabei fiel ihr schuldbewusst ein, dass es in England neun Uhr abends war – es dort also aufgrund der Zeitverschiebung bereits elf Uhr sein musste. Keine passende Zeit für Telefonanrufe, zumal, wenn man sich vollkommen fremd war.
»Allo?« Es meldete sich eine gereizt klingende Frauenstimme. »Allo?«
»Ada Dimitrowa?«
Langes, misstrauisches Schweigen.
»Ja«, sagte die Frau widerwillig.
Bud atmete tief aus. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. »Sprechen Sie Englisch?«
»Was geht Sie das an?« Die Frau schien eine schwierige Zeitgenossin zu sein, der zuzutrauen war, dass sie sofort auflegte, sobald sie den Grund für den Anruf erfuhr.
Bud zögerte. »Ich bin Celia Bayleys Enkelin.«
Nach kurzem Schweigen wiederholte die Frau am anderen Ende ungläubig: »Celia?« Ihre Stimme veränderte sich schlagartig, wurde von Minute zu Minute freundlicher. »Sie sind Enkelin von Celia?«
»Celia ist tot«, erwiderte Bud spontan, um den unangenehmen Teil schnell hinter sich zu bringen. »Sie ist vor sieben Monaten gestorben.«
Eine Minute verstrich. »Aber das weiß ich schon«, antwortete Ada traurig und für Bud unerwartet. »Verzeihen Sie …« Bud hörte, wie am anderen Ende offenbar ein Streichholz entzündet wurde. Ada schien hastig an einer
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