Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Jahre, die die Mutter allein im Ausland verbracht hatte, etwas geschehen sein sollte, dann konnte es nicht mehr als eine flüchtige Liaison gewesen sein, die Reaktion auf ein fremdes Land oder vielleicht auf das Älterwerden. Außerdem musste seitens des Mannes sicher auch Berechnung im Spiel gewesen sein. Warum sollte sich sonst ein Osteuropäer mit einer englischen Touristin mittleren Alters einlassen? Vielleicht hatte er gehofft, auf lange Sicht durch sie in den Westen zu kommen. Robert empfand plötzlich Mitleid mit seiner sensiblen, leichtgläubigen Mutter. Schließlich versuchten es mittlerweile viele, gaben sich als politische Flüchtlinge aus und wollten doch nur kostenlose medizinische Betreuung und jeden Monat einen dicken Scheck vom Sozialamt. Allerdings hätte seine Mutter niemals ihr angenehmes Leben in England und ihre gute Ehe aufgegeben, dessen war er sicher. Er schaufelte mehr Papier in das knisternde Feuer. Eigentlich glaubte er nicht an eine Affäre. Er stocherte ärgerlich mit einem Stock in den Flammen herum, um sicherzugehen, dass jeder Schnipsel verbrannte.
Ein weiterer Ascheregen ging über der Wiese nieder und legte sich wie ein feines, dunkelgraues Netz über das Gras. Robert überlegte, ob je einer von ihnen daran gezweifelt hatte, was der Vater für die Mutter bedeutet hatte. Dazu musste man sich nur daran erinnern, wie sie auf seinen Tod reagiert hatte. Sie hatte beinahe selbst mit einem Fuß im Grab gestanden. Er erinnerte sich gut an ihre tief in den Höhlen liegenden Augen, an das bleiche, teilnahmslose Gesicht. Und an ihre Sprachlosigkeit! Er und seine Schwestern waren verzweifelt gewesen, hatten gefürchtet, sie würde ihrem Mann in den Tod folgen.
Ihr Charakter hatte zum Glück letztendlich obsiegt! Sie hatte wieder Sinn im Leben gesehen, Trost in der Familie gefunden und war stärker denn je aus der Krise hervorgegangen. Und nachdem sie endlich Zeit für sich hatte, hatte sie die Bücher geschrieben, die sie berühmt gemacht hatten.
Jenny Granger allerdings hatte auch dies verdreht – wie man sich hatte denken können –, auch daraus etwas Verdächtiges, Skandalumwittertes gemacht. »Nach dem Tod Ihres Vaters hat sich der Schreibstil Ihrer Mutter geändert«, hatte sie hintersinnig behauptet. »Ihre Prosa klingt, als spreche sie mit einer anderen Stimme. Wie sehen Sie das, Robert?« Und Robert war errötet, hatte nach Worten gerungen.
Er warf das nächste Papierbündel ins Feuer. Diese Schlange! Jenny Granger war es sogar gelungen, die besondere Beziehung der Geschwister zu Bet zu zerstören. Das traf ihn besonders hart. Er beschloss, das grausame Spiel zu beenden. Schuldgefühle regten sich bei ihm, wenn er daran dachte, welchen Kummer sie ihrer geliebten Ersatzmutter bereitet haben mussten, die sie als Kinder getröstet und ihre Schulferien zum Erlebnis gemacht hatte. Sobald Mirandas Baby auf der Welt war, wollte er sie anrufen und sich mit ihr aussöhnen. Er wusste es mittlerweile zu schätzen, dass Bet ihnen einiges vorenthalten hatte. Schließlich hatte Bets Loyalität immer nur seiner Mutter gehört.
Die neuen Besitzer des Hauses würden nie wissen, was für ein besonderer Raum dieses Arbeitszimmer gewesen war, überlegte Bud. Sobald sie die Spinnweben und den von Motten zerfressenen Teppich entfernt und Wände und Decke frisch gestrichen hatten, würden sie sich zufrieden auf die Schulter klopfen, ohne je zu erfahren, dass hier eine Frau gearbeitet, in ihrer Phantasie geliebte Orte zu neuem Leben erweckt, zerbrochene Träume gekittet und selbst die Schwächen des Alters überwunden hatte. Wenn wahre Liebe, Schönheit und Wahrheit im echten Leben schwer zu finden waren – sie erschuf all das in ihren Romanen.
Der Computer wirkte in dem altmodischen Raum fehl am Platz. Dennoch war es Celia selbst gewesen, die ihn sich gewünscht und Guy gebeten hatte, sie damit vertraut zu machen. Ob es wahr sei, hatte sie ihn gefragt, dass damit Mitteilungen über Tausende von Kilometern versendet wurden, die der Empfänger nur Minuten später lesen konnte? Sie habe in der Zeitung darüber gelesen, doch es fiele ihr schwer, das zu glauben.
Der Computer war mindestens zehn Jahre alt, und niemand wollte ihn haben. Bud erinnerte sich, dass die Großmutter Briefkuverts und Paketschnur aufgehoben hatte. Sie wäre die Letzte gewesen, die die Erinnerungen einer anderen Person vernichtet hätte.
Celia hatte die Knabenkräuter geliebt, die im letzten Sommer ihres Lebens die Wiese zierten.
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