Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
einunddreißig Jahren gehört man ja noch nicht zum alten Eisen! Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn man zu jemandem nach Hause kommt, den man liebt. Ach übrigens, wann kommt dein Göttergatte eigentlich zurück nach Hause?«
18
Gestern Nacht habe ich geträumt, ich sei wieder jung.
Als ich mich auszog, war der Anblick meines Körpers
ein wahres Wunder. Und er war ebenfalls jung,
jung wie ein Brigant aus einer anderen Welt.
Er sagte: Ich habe auf dich gewartet,
meine Geliebte – eine Ewigkeit.
EINTRAG IM NOTIZBUCH. OHNE DATUM,
DOCH DIE ZITTRIGE HANDSCHRIFT WEIST AUF DIE LETZTEN
LEBENSJAHRE HIN. IDEE FÜR EINEN DER SPÄTEN ROMANE?
Jenny Granger hörte die schlurfenden Schritte, noch bevor sich ein Schatten hinter den Bleiglasfenstern bewegte, der flache, raue Atem einer Raucherlunge hinter der Haustür zu hören war und sie das Gefühl hatte, durch den Spion eingehend gemustert zu werden. Sie machte, wie sie hoffte, ein freundliches, Vertrauen erweckendes Gesicht und ging, während sie wartete, in Gedanken noch einmal durch, was sie über Bet Parker erfahren hatte.
Mittlerweile war es vier Monate her, dass sie mit Celias Töchtern gesprochen, und erst drei Wochen, seit sie Zugang zu der unglaublichen Fundgrube an Memorabilien in dem leeren Haus erhalten hatte. Sie war noch ganz erfüllt von dem Triumphgefühl über das Erreichte, auch wenn sie zugeben musste, dass die Familie Bayley es ihr leichtgemacht hatte. Spannungen waren schon bei der Beerdigung spürbar gewesen: die eisige Atmosphäre zwischen Margaret und ihrem Mann Charles; Unstimmigkeiten bei Robert (deutlich ein Kontrollfreak) und seiner Frau Mel. Es war Ironie des Schicksals, dass sich ausgerechnet Sarah, als Einzige entspannt und zufrieden, als das schwache Glied erwiesen hatte. Jenny plagten keinerlei Gewissensbisse angesichts der Art, wie sie Sarah für ihre Zwecke manipuliert hatte. Sie hatte von Anfang an eine interessante Story hinter all den Klischees vermutet und die Gelegenheit eines Karrieresprungs gewittert.
In Bezug auf diesen Besuch war sie zwiegespalten gewesen. Lieber hätte sie im Haus weiterhin Material gesichtet, solange sich die Chance noch bot. Dabei hatte sie einige überraschende Entdeckungen gemacht. Und es erschien ihr ein kluger Schachzug, diese an einer Person zu testen, die nicht zur Familie gehörte. Bet, eine von Celias ältesten Freundinnen, war der ideale Sparringspartner.
In Briefen und Tagebucheinträgen tauchte immer wieder ihr Name auf. Ihre Persönlichkeit hatte sich aus der unübersehbaren Papiermasse mit bruchstückhaften Informationen herauskristallisiert: intelligent, pragmatisch, großherzig, wenn auch mit einem Hauch von Tragik. Jenny versuchte noch immer, sich Bets Lebensgeschichte zusammenzureimen, die Lücken zwischen nackten Fakten und zweideutiger Fiktion zu schließen. Sie wusste, dass Bet Witwe war, und hatte vorerst nur eine vage Vorstellung von deren wildem Liebesleben in Kriegszeiten und den Auswirkungen ihrer Kinderlosigkeit. Vertraue keinem Schriftsteller , sagte sie sich mehr als einmal nüchtern. Allerdings waren Celia und Bet bereits fast eine Dekade befreundet gewesen, bevor Erstere zu schreiben begonnen hatte. Davon abgesehen begann Jenny allmählich zu begreifen, dass Celias professionelle Skrupellosigkeit, was die Verwendung von Material betraf, mit einem von Grund auf liebevollen Wesen einherging. So viel war nachvollziehbar.
Während sie geduldig auf der obersten Stufe wartete, erinnerte sie sich an eine kurze Beschreibung aus Celias Tagebuch von 1947: Bet hat so hübsch und glücklich ausgesehen. Ganz in Pink. Ich habe Robert gesagt, er allein sei verantwortlich für diese Hochzeit. Ich bete, dass sie nächstes Jahr um diese Zeit ebenfalls ein Baby hat.
Jenny war seltsam gefühlsduselig zumute, und sie wünschte, diese strahlende junge Frau könnte ihr die Tür öffnen. Sie erlebte die bedauernswerte Hilflosigkeit der Biografin, die eine Lebensgeschichte verfolgte, von Anfang an wusste, wie sie enden würde, und dennoch hoffte, ihr eine positive Wendung geben zu können.
Bet war mittlerweile sechsundachtzig Jahre alt, und ihr Mann Jack war schon seit Langem tot. Das viktorianische Reihenhaus in Clapham war schon für zwei und erst recht für eine Person zu groß. Jenny fragte sich, warum Bet nicht in eine kleinere Behausung umgezogen war. Waren wehmütige Erinnerungen an glücklichere Zeiten die Ursache? Die Nachbarhäuser zu beiden Seiten hatten neue Treppen aus
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