Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
den er ihr beschrieben hatte: zuoberst in der Schublade. Sie vertrauten einander. Weshalb also zögerte sie, obwohl sie gefunden hatte, wonach sie suchte? Es war alles andere als gemütlich in diesem eiskalten Zimmer, wo, als sie vor Entsetzen nach Luft schnappte, ihr Atem kondensiert in der Luft hing wie eine Rauchwolke.
Priscilla kam rechtzeitig zum Mittagessen aus ihrem Zimmer. Wie immer war sie für einen Tag auf dem Land unpassend elegant gekleidet und hatte einen Silberfuchs um die Schultern geschlungen, dessen Plastikschnauze und Glasaugen die Kinder auf sichere Distanz hielten, obwohl die Wolke aus wohlriechendem Parfum so verlockend war. Normalerweise begann Priscilla nach ihrem Erscheinen umgehend über ihre Probleme zu reden. Aber an diesem Tag fragte sie besorgt: »Alles in Ordnung mit dir?«
»Natürlich!« Celia versuchte ein Lächeln. »Margaret hat mich nur in der Nacht geweckt«, log sie.
»Komisch. Hab’ sie gar nicht gehört. Wirklich alles in Ordnung? Du bist bleich wie ein Laken.« Priscillas Blick wurde ängstlich. »Ich habe vorhin das Telefon klingeln hören.« Sie starrte Celia an und biss sich auf die Unterlippe. »Keine schlechten Nachrichten … oder?«
»Frederick geht es gut. Er hat angerufen.«
»Gott sei Dank! Aber, Celia … ich habe dich noch nie so …«
»Eigentlich habe ich gute Nachrichten«, fiel Celia ihr ins Wort. Und wie gehofft war Priscilla sofort abgelenkt, als sie ihr von dem Scheidungsanwalt berichtete, dessen Adresse sie herausgefunden hatte.
Celia hatte sich in Bezug auf Fredericks erste Frau geirrt. Katharine war ganz und gar nicht vergessen. Völlig unerwartet war ihr das auf schockierende Weise klar geworden. Während sie sich über die Jahre allmählich in ihre Ehe gefügt hatte, hatte sich Frederick Katharines Andenken lebhaft bewahrt: In einer Schublade als Bindeglied zu der geheimen Welt vieler enttäuschter Wünsche.
Der Impuls, auch die übrigen Aktenordner durchzublättern, hatte sich als fatal erwiesen: hellbraun für das Haus, grün für die Finanzen, gelb wie die Sonne für Katharine. Nichts an der Beschriftung des Ordners war ihr eine Warnung gewesen. Er hatte ein halbes Dutzend Fotografien einer großen, dunkelhaarigen jungen Frau enthalten, die so gar nicht dem Bild entsprach, das Celia sich von ihr gemacht hatte. Der Hintergrund jedoch war ein eindeutiger Hinweis: Es war Fredericks Elternhaus in Wiltshire, das hässliche, protzige Haus, umgeben von einem Park. Offenbar wollte sich Frederick so an seine erste Frau erinnern – in der sicheren Welt Englands, wo sie hätte bleiben sollen. Celia fragte sich, wie oft er diesen Ordner wohl aufschlug. Geschah es jedes Mal, wenn er an seinem Schreibtisch saß? Oder hob er sich diesen Genuss auf, wenn er sich von seinen Kindern bedrängt und von seiner zweiten Frau gelangweilt fühlte? Briefe oder Erinnerungsstücke fehlten. »Schön«, hatte er Katharine genannt, aber »unvergesslich«, wie durch diese Fotos, war sie unendlich gefährlicher.
Celia hatte die Fotos lange betrachtet, bemüht, sich nicht die Miene desjenigen vorzustellen, der die Kamera bedient hatte. Und in einem plötzlichen Anfall von Misstrauen hatte sie nach ihrer Hochzeitsurkunde gesucht (verwahrt in einem roten Ordner) und den Begriff gefunden, den sie am Hochzeitstag zwölf Jahre zuvor übersehen hatte: »Witwer«. Er hatte viel riskiert, damals. Und dann erinnerte sie sich an den Ausdruck seiner Augen und begriff, dass es letztendlich doch nicht zärtliches Begehren gewesen sein konnte, das sie darin zu sehen glaubte.
Priscilla wirkte noch immer besorgt, wenig überzeugt. »Celia, meine Liebe, ist mit dir wirklich alles in Ordnung?«
»Natürlich«, erwiderte Celia, »ich bin nur müde.« Und sie fügte hinzu: »Du weißt, wie das ist.« Das war natürlich lachhaft, denn Priscilla hatte Dienstpersonal, das sich um ihr Kind kümmerte, wenn es nachts aufwachte.
»Du und Frederick …«, begann Priscilla vorsichtig.
»Hm?«
»Alles in Ordnung mit euch, oder?«
»Absolut«, versicherte Celia ihr mit gezwungenem Lächeln.
Priscilla musterte sie unsicher. »Aber natürlich ist alles in Ordnung«, sagte sie dann. »Ich weiß auch nicht, was ich mir gedacht habe.«
Und Celia dachte: Ich führe die perfekte Ehe. Alle müssen das glauben .
Hastig und erleichtert plapperte Priscilla weiter: »Oh, Schätzchen, von allen Ehen ist die deine die allerbeste. Du hast, was wir uns alle erhofft haben – und noch immer erhoffen. Mit
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