Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
hat mal eine Haushälterin erwähnt, die Mädchen für alles war und im Haus geblieben ist . Celia war nicht nur das Kind einer Domestikin, diese Tatsache war auch noch absichtlich vertuscht worden. Das war der Durchbruch! Sie hätte sich nichts Besseres wünschen können. Jenny gab sich ungerührt. Sie nickte, als habe Bet nur bestätigt, was sie längst wusste. Und dann wartete sie ab, denn als professionelle Interviewerin hatte sie gelernt, welche Macht Schweigsamkeit ausüben konnte. Gesprächspausen machten die meisten nervös und verleiteten sie dazu, mehr von sich preiszugeben, als beabsichtigt.
Offenbar war Bet trotz ihrer Intelligenz und starken Persönlichkeit keine Ausnahme. Sie ließ eine Verteidigungsrede bezüglich ihrer Freundin vom Stapel und bestätigte dabei, was Jenny bereits vermutet hatte. Wann immer sie innehielt, setzte Jenny eine nichtssagende Miene auf, schwieg hartnäckig und beschränkte sich darauf, sich die Informationen einzuprägen, die aus Bet heraussprudelten wie aus einem defekten Wasserhahn (denn sie machte nur selten Notizen oder nutzte ein Tonbandgerät, da ihrer Erfahrung nach beides Ablehnung hervorrief).
»Frederick war die treibende Kraft gewesen. Er wollte diese Sache vertuschen … nicht sie. Machen wir uns nichts vor! Er war ein Snob. Konnte vielleicht nicht mal was dafür. So wie er erzogen wurde. Ja, vornehm! Sehr vornehm! Aber sie hätte ihn nie als Lügner entlarvt. Niemals! Und schon gar nicht vor ihren Kindern. So war Celia – loyal bis zum Äußersten.« Bet hielt inne und wäre vielleicht gänzlich verstummt, hätte Jenny den Zauber gebrochen. »Dabei war ihre Mutter eigentlich keine Hausangestellte – sie hatte nur keine andere Wahl: das oder das Armenhaus. Über den Vater wurde nie gesprochen. Celia hat nur einmal gesagt, dass er im Ersten Weltkrieg verwundet worden war … Für mich klang das so, als sei er durchgedreht. Vermutlich war ein Granatenangriff schuld, das haben viele nie überwunden. Da war etwas im Blick der Mutter – arme Seele –, als habe sie die Hölle durchgemacht. Als er starb, standen sie vor dem Nichts. Aber auch darüber wurde nicht gesprochen. Nie wurde gejammert. Die beiden standen sich sehr, sehr nahe. Aber als Frederick auftauchte … tja …« Sie zuckte die Schultern. »Celia hätte alles für ihn getan, wie Sie sicher schon kapiert haben. Von meiner Wenigkeit war er nicht begeistert, als wir uns kennenlernten. Fand, ich hätte einen schlechten Einfluss auf sie. Damit war ich ebenfalls abgemeldet.« Bet zog eine komische Grimasse, so als könne sie jetzt im Alter Fredericks Vorbehalte verstehen. »Für ihre Mutter allerdings war es hart. Er hat sich geändert – so um Roberts Geburt herum – oh, eigentlich war er im Grunde seines Herzens ein sehr anständiger Mann. Aber da hatte der Krebs bei ihr schon zugeschlagen. Ging verdammt schnell.« Sie biss sich auf die Unterlippe, als erinnere sie sich zu deutlich an die Trauer der Freundin. »Und danach … nun …« Sie zuckte erneut mit den Schultern. »Sie sind Celia nie begegnet, oder?«
»Leider nein«, gestand Jenny. Sie glaubte zu verstehen, worauf Bet hinauswollte: Um ihres geliebten Mannes willen hatte Celia sich eindrucksvoll neu erfunden. Eines der letzten Pressefotos fiel ihr wieder ein – die edlen Züge einer alten Dame mit dichtem, weißem, elegant frisiertem Haar. Dazu ein Abschnitt aus einem Boulevardblatt (zweifellos Quelle des Stolzes des entsprechenden Schreiberlings): Celia Bayley war der Inbegriff einer Dame der Gesellschaft an der Seite ihres Mannes, seines Zeichens General. Sie rief mit ihrem artikulierten Akzent der Oberschicht unwillkürlich das Bild von zahllosen Einladungen zu Tee und Gurkensandwichs wach – eine urbritische Tradition, die auf grünen Rasenteppichen vor dem Herrenhaus zelebriert wird.
Vielleicht hatte Celia mit der Zeit ebenfalls an das Märchen von der adeligen Herkunft geglaubt.
Jenny steuerte geschickt auf das Thema zu, das sie als Nächstes ins Gespräch bringen wollte. »Er ist sehr viel älter gewesen als sie, stimmt’s?«
»Zwölf Jahre, vielleicht dreizehn …« Bet war mittlerweile geradezu redselig geworden (und merkwürdigerweise überraschte es Jenny immer wieder, wie einfach das zu bewerkstelligen war). »Eigentlich war sie noch ein Kind, als sie sich kennengelernt haben – eine sehr naive Siebzehnjährige. Mit der Zeit wurde der Altersunterschied natürlich weniger sichtbar. Er sah mit jedem Jahr sogar noch besser
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