Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Schiefer, frisch angelegte, gepflasterte Wege, nur Bet sah offenbar keinen Grund für Renovierungsarbeiten. Dachte sie, ihr Ende sei absehbar?
Obwohl Jenny einiges über Bet herausgefunden hatte, war sie nicht sicher, welche der beiden alten Damen, die ihr auf der Beerdigung aufgefallen waren, ihr die Tür öffnen würde. Sie rechnete mit der Übergewichtigen, mit dem auffälligen Appetit und herzlichen Lachen, die ein gewisses Gefühl der Einsamkeit nicht hatte verbergen können. Ebenso gut jedoch konnte Bet die Hagere sein, mit der gestelzten, blasierten Sprechweise, dem unsteten Blick und dem verschmierten, magentafarbenen Lippenstift.
»Führerschein!«, befahl eine raue Stimme und räumte damit umgehend jeden Zweifel aus. Und erst nachdem dieser durch den Briefschlitz gesteckt und ausgiebig geprüft worden war, wurde Jenny Einlass gewährt.
Bet hatte eine dicke, getigerte Katze auf dem Arm. Sie trug einen unförmigen, wollenen Schlauchrock und eine beige Strickjacke. Beide Kleidungsstücke waren fleckig. Eine Brille mit verschmierten Gläsern baumelte an einer Kette um ihren Hals und hüpfte bei jeder Bewegung auf ihrem Busen. Sie roch angenehm nach Seife und Zahnpasta und schien um Sauberkeit bemüht zu sein. Sie wirkte gereizt, so als fühle sie sich belästigt, obwohl das Interview im Voraus vereinbart worden war.
»Vielen Dank, dass Sie bereit sind, sich mit mir zu unterhalten«, begann Jenny betont herzlich und streckte ihr die Hand hin.
Bet ignorierte die Geste. Ohne die Katze loszulassen, wandte sie Jenny den Rücken zu und stampfte durch die Diele in ein düsteres Wohnzimmer an der Rückseite des Hauses. Jenny folgte ihr. Auch hier war nichts neu oder modern. Sie stellte sich die Einrichtungen der angrenzenden Häuser vor: Häuser wie ihr eigenes mit Eichenböden, Wandleuchten und Arbeitsflächen aus Granit in der Küche. Hier dagegen gab es Teppichböden, über die alte Vorleger gebreitet waren, und Stehlampen, die diffuses Licht auf Kinderfotos warfen, die auf jeder freien Oberfläche standen. Zeit, nach der Identität dieser Kinder zu fragen, blieb allerdings nicht, auch wenn Jenny die Gesichter seltsam bekannt vorkamen.
Mittlerweile war Bet in einen braunen, rissigen Ledersessel gesunken, der aussah, als wäre er einst ihrem Mann vorbehalten gewesen. Jenny arrangierte sich mit einem unbequemen, niedrigen Sofa und versuchte, das gerötete Fleisch von Bets Oberschenkeln zu ignorieren, das über beige Stützstrümpfe quoll. »Ich bin Ihnen ja so dankbar«, wiederholte sie.
Bet runzelte die Stirn. »Seien Sie Bud dankbar«, erklärte sie in ihrer rauen, barschen Stimme, die zum höflichen Umgangston der Bayleys so gar nicht passen wollte.
»Ein wunderbares Mädchen!«, schwärmte Jenny. Sie mochte Bud, kannte sie jedoch nur flüchtig. Hauptgrund für ihre Sympathie war, dass sich Bud für die Biografie einsetzte. Bud war es auch gewesen, die dieses Treffen arrangiert hatte.
»Ja, das ist sie.« Bet lächelte frostig. Dann putzte sie sich die Nase und betrachtete das Ergebnis in dem Taschentuch, bevor sie dieses in den Ärmel zurücksteckte. »Also, bringen wir’s hinter uns«, erklärte sie unumwunden. Von Tee oder Kaffee war erst gar nicht die Rede.
»Wie Sie wissen, schreibe ich eine Biografie über Ihre Freundin Celia Bayley«, begann Jenny.
Bet fiel ihr augenblicklich ins Wort. »Ob sie das wohl gut fände? Ich glaube nicht. War eine äußerst diskrete Person. Sehr zurückgezogen. Würde ihr nicht die Bohne gefallen.«
»Ich fürchte, sie ist einfach zu berühmt geworden«, entgegnete Jenny höflich, aber bestimmt. »Irgendjemand muss es tun.«
Bets Miene verdüsterte sich. »Die Menschheit interessiert sich nicht für die Alten.« Sie sagte das ohne jedes Selbstmitleid, stellte lediglich fest, was Fakt war.
»Sie hat es nicht verdient, einfach vergessen zu werden«, protestierte Jenny.
»Alle, die sie geliebt haben, werden sie nicht vergessen.«
»Aber sie ist nebenbei noch eine großartige Schriftstellerin gewesen!«
»Ach, wirklich?« Bet schien dies zum ersten Mal in Erwägung zu ziehen. »Die frühen Sachen mochte ich nicht besonders«, erklärte sie. »Dachte immer, dass sie Besseres zustande bringen kann.« Mit einem Mal lächelte sie, was sie trotz der vielen Fältchen um die Augen und der schlechten Zähne erstaunlich jung aussehen ließ. »Ich glaube, sie war einfach anders. Eine alte Frau, die über Sex schreibt? Heikle Sache, wenn Sie mich fragen. Besonders wenn’s die
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