Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
hinüber ins Wohnzimmer. Eine der Wände ist bis zur Decke komplett mit Regalen bedeckt. Neben Büchern befinden sich darin jede Menge Fotos, sie stehen auf Buchstapeln oder füllen ganze Regalbretter. Ich gehe hinüber, um sie mir aus der Nähe anzusehen, und erkenne sofort eine ganze Reihe der Gesichter. Denn außer den üblichen Familienschnappschüssen – Griffon am Grand Canyon, Griffon auf dem Fußballplatz, Griffon auf einem Gruppenfoto des Baseballteams – gibt es dort Bilder von Personen, die ich aus den Nachrichten oder aus dem Internet kenne: Janine, die Nelson Mandela die Hand schüttelt, daneben ein Bild von ihr und Al Gore, und dann eins, auf dem ein süßer kleiner Griffon in Anzug und Krawatte eine Frau umarmt, die Oprah Winfrey sehr ähnlich sieht. War also wirklich nicht gelogen.
Auf einem anderen stehen hinter Griffon eine lächelnde Janine und sein Dad, den ich auch ohne seine Torwächteruniform leicht wiedererkenne. Sie geben ein merkwürdiges Paar ab. Er ganz der korrekte Engländer und sie beinahe ein Hippie, und ich frage mich, was sie wohl zusammengebracht hat. Ich nehme das Bild in die Hand, um es noch genauer anzusehen.
»Na, schaust du dir die Ahnengalerie an?« Janine kommt mit zwei dampfenden Tassen herein, die sie auf dem Couchtisch abstellt.
Ertappt. Was muss ich auch so neugierig sein. Hastig stelle ich das Foto zurück. Janine kommt herüber und wirft einen Blick auf das Foto. »Kaum zu glauben, dass wir einmal ein Paar waren, oder?«, fragt sie, und ich habe ein noch schlechteres Gewissen, weil ich kurz zuvor genau das gedacht habe.
»Ich weiß nicht«, sage ich unsicher. »Sagt man nicht, dass Gegensätze sich anziehen?«
Janine lacht lauthals. »Wahrscheinlich werden wir beide eines Tages unter dem Stichwort ›Gegensätze‹ als illustratives Beispiel bei Wikipedia auftauchen.« Sie nickt noch einmal und sagt dann etwas ernster: »Es war nicht leicht, mir einzugestehen, dass es mit uns beiden nicht klappen kann. Das hat mir mal wieder gezeigt, dass Erinnerungen aus einem früheren Leben nicht immer dabei helfen, dass etwas auch im jetzigen funktioniert.«
»Aber Griffon sagte, dass sein Dad kein Akhet ist.«
»Stimmt, aber ich wusste von unserer früheren Verbindung. Als ich Austauschstudentin in Schottland war, trafen wir uns auf einer Party, und ich erkannte ihn sofort wieder.«
»Dann sind Sie beide schon früher einmal ein Paar gewesen?« Wie romantisch! Ein Stoff für dicke Wälzer, wehmütige Lieder und die kitschigen Hallmark-Karten, die Mom so liebt, weil sie sie immer zum Weinen bringen.
Janine nickt. »Vor sehr langer Zeit waren wir einmal ein Liebespaar. Ich habe alles versucht, wieder daran anzuknüpfen, aber schließlich musste ich einsehen, dass wir in diesem Leben einfach nicht zueinanderfinden können.« Sie schweigt eine Weile. »Aber er war Griffon immer ein wundervoller Vater, und er versteht und akzeptiert die Dinge auf eine Art, wie nur wenige das können.« Sie schüttelt ihren Kopf, so als wolle sie die Erinnerungen an die Vergangenheit vertreiben.
Mein Blick fällt auf eine große Karte, die neben dem Bücherregal an der Wand hängt. Sie sieht aus wie eine Karte von New York, ist aber wie ein Kreis gezeichnet, sodass sie eher wie ein 3-D-Globus wirkt. Hunderte, vielleicht Tausende von Gebäuden, Brücken, Parks, Wasserwegen, alles ist so detailliert, dass man praktisch den Abfall auf den Straßen erkennen kann. »Die ist fantastisch!«, sage ich und gehe noch ein Stück näher heran. Von Weitem sah sie aus wie schwarz-weiß, aber jetzt erkenne ich die kleinen grünen Rechtecke der Parks und das Blau des umgebenden Flusses.
»Ja, sie ist wunderbar, nicht? Und absolut genau«, sagt Janine an meiner Seite. »Man könnte sie jedem Taxifahrer-Neuling in die Hand drücken und er würde problemlos überall hinfinden.« Sie schaut versonnen auf die Karte. »Dabei war Griffon erst zehn, als er sie gemacht hat.«
»Griffon hat das gezeichnet?« Ich bin vollkommen sprachlos. Ich meine, so etwas gehört in ein Kunstmuseum und nicht ins Wohnzimmer.
»Er hat sie aus dem Gedächtnis gezeichnet. Wir haben einen Hubschrauberflug über Manhattan gemacht und ein paar Wochen später kam er damit an.«
»Das ist beeindruckend«, sage ich. Aber das trifft es eigentlich nicht. »Beeindruckend« sagt man, wenn jemand einen Salto rückwärts kann oder die Nationalhymne singt, ohne beim höchsten Ton abzuschmieren. Aber das hier ist etwas wirklich
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