Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
wieder unter uns sein?«
»Ganz genau. Es könnte in einem Menschen schlummern und nur darauf warten, stärker zu werden.«
Der Gedanke lässt mich schaudern. Da ist noch eine Frage, die mich schon die ganze Zeit beschäftigt, aber sie zu stellen, kommt mir vor, als würde ich alles, woran die Menschheit jemals geglaubt hat, mit Füßen treten. Ich hole tief Luft.
»Wer entscheidet?«, bringe ich schließlich hervor.
Janine legt ihren Kopf auf die Seite und sieht mich an. »Entscheidet?«, wiederholt sie. »Was?«
»Wann man zurückkehrt. Als was man zurückkehrt. Wie oft man zurückkehrt. All das.«
»Du willst wissen, ob es einen Gott gibt? Jemanden, der uns lenkt? Der beurteilt, wie gut oder schlecht wir in einem bestimmten Leben waren?«
Ich nicke und sehe sie gebannt an. Vielleicht stehe ich kurz davor, die Antwort auf jene Frage zu erhalten, die die Menschheit seit jeher umtreibt: das Geheimnis des Seins.
Janine trinkt einen Schluck. »Ich weiß es nicht.«
Ich starre sie verdutzt an. Das ist bestimmt nicht die Antwort, die ich erwartet habe. »Du weißt es nicht? Ich meine, die Akhet leben all diese Leben, werden immer wieder als jemand anderes geboren und wissen nicht, wie das alles kommt?«
»Das Schwierigste ist, zu begreifen, dass unser Wissen auf unsere Erfahrungen beschränkt ist. Wir haben keinen direkten Draht zu Gott, Allah oder Buddha oder woran auch immer man glauben mag. Was in der Zeit zwischen den Leben geschieht, wissen selbst die ältesten Iawi-Akhet nicht. Mein Wissen beruht allein auf den Erfahrungen, die ich in meinen verschiedenen Leben gesammelt habe, und es liegt an mir, diese Erfahrungen zu nutzen. Es kann ein Jahr dauern, manchmal auch hundert Jahre, aber bisher bin ich immer zurückgekehrt.«
Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit macht sich in mir breit. Im Grunde weiß Janine nicht mehr als ich. Trotz all ihrer Leben hat sie nicht mehr Antworten gefunden als ich in meinen sechzehn Jahren. Ich fühle mich betrogen. »Aber wohin geht der … Wesenskern … wenn er nicht gleich in einen neuen Körper gelangt? Ich dachte, bei der Wiedergeburt geht die Seele unmittelbar von einem in den nächsten Körper über, wie wenn man eine neue Kerze an einer alten entzündet.«
Janine zuckt die Schultern. »Die Hindus glauben, dass der Geist zwischen zwei Leben ausruhen muss, in einer Art Schwebezustand zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, und die Buddhisten glauben gar nicht an Seelenwanderung.«
»Woran glaubst du?«
»Das muss ich selbst noch herausfinden«, antwortet sie nur.
Griffon kommt herein, und ich vermute, dass er unsere letzten Sätze mitangehört hat. »Na, alle Unklarheiten beseitigt? Alles Grundlegende geklärt?«
»Nicht wirklich«, erwidere ich und fühle mich plötzlich sehr erschöpft. Ich hatte auf Antworten gehofft, aber stattdessen sind nur noch mehr Fragen aufgetaucht.
Griffon lässt sich auf die Couch fallen und landet dicht neben mir. Ich kann sofort die Schwingungen zwischen unseren Körpern spüren. Er senkt verlegen den Blick und rückt von mir ab, sodass uns jetzt mindestens ein halber Meter trennt. Ich frage mich, ob das ein Indiz dafür ist, was er für mich empfindet, und plötzlich fühlt es sich an, als läge mindestens ein Kilometer zwischen uns.
»Versuche nicht, alle Antworten auf einmal zu bekommen. Bleib einfach offen für das Neue«, sagt Janine. Im Vergleich zu dem, was sie heute sonst gesagt hat, klingt das fast wie eine x-beliebige Hippie-Weisheit. »Aber sei vorsichtig.«
Sie legt ihren Arm um mich, und ich spüre ihre Schwingungen, die stärker sind als Griffons, aber irgendwie sanfter, kontrollierter. »Es wäre klug von dir, auf Griffon zu hören. Auch wenn es nicht immer so aussieht, er weiß, was er tut. Vertraue ihm.«
»Das tue ich«, antworte ich, ohne ihn anzusehen, und spüre den körperlichen Abstand zwischen uns noch schmerzlicher als zuvor.
»Gut«, sagt Janine und steht auf. »Auf meinem Laptop warten etwa hundert Folgen von Glee , und ich möchte mir noch ein paar anschauen, bevor ich schlafen gehe. Es war sehr nett, dich kennenzulernen, und ich hoffe, wir sehen uns bald wieder. Du bist hier immer willkommen.«
»Vielen Dank für alles«, sage ich und blicke ihr nach, als sie das Zimmer verlässt.
Griffon setzt sich in einen Sessel und nippt an seinem Kaffee. »Musst du gleich los?«, fragt er.
Ich schaue auf die alte Wanduhr über dem Kamin. »Nicht sofort, aber bald«, antworte ich, obwohl ich eigentlich viel
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