Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
Dann ist sie wahrscheinlich noch da. Komm mit!« Rayne nimmt meine Hand, und wir rennen zur Haltestelle, wo der Bus gerade abfahren will.
»Wer ist wo? Wohin fahren wir?«, keuche ich.
»Das wirst du dann sehen«, sagt Rayne geheimnisvoll, als wir uns in den überfüllten Bus quetschen. »Ist ’ne Überraschung.«
»Ich mag keine Überraschungen.«
»Die wirst du mögen.«
»Glaub ich nicht.« Ich versuche, einen Blick aus dem Fenster zu erhaschen. Wir fahren die Market Street entlang und biegen nach ein paar Minuten in die Mission Street ein. Rayne drückt den Halteknopf.
»Da wären wir«, sagt sie und zwängt sich zur Tür durch.
Ich schaue mich um. Wir sind mitten im Mission District, überall leere Bars und billige Möbelläden. »Und wohin jetzt?«
»Hier entlang, es ist gleich da vorne«, sagt sie und marschiert sofort los, sodass mir nichts übrig bleibt, als ihr zu folgen. Sie bleibt vor einem Pfandhaus stehen und drückt auf die Klingel des Hauseingangs rechts daneben.
»Also, jetzt verstehe ich gar nichts mehr …«, setze ich an.
»Schhhh!«, unterbricht sie mich. Es knackt und rauscht in der Gegensprechanlage. »Hallo Whitney, hier ist Rayne!«, schreit sie in die Metallschlitze hinein.
Ich höre ein paar unverständliche Worte und dann das Geräusch des Türsummers. Rayne hält mir die Tür auf, dann geht sie voran, eine steile Treppe hinauf. Irgendwo im Gebäude ist leise Musik zu hören, es klingt nach Mantrasingen und Glöckchen – Hippie-Musik. Auf halber Treppe kommt mir der Geruch von Räucherstäbchen entgegen und ich muss niesen.
»Gesundheit.« Eine kleine Frau mit blonden Locken und schwindelerregenden, grellroten High Heels steht oben im Türrahmen eines kleinen Apartments. Neben ihr sitzt ein mittelgroßer, schwarzer Hund.
»Danke«, sage ich schniefend. Na toll, willkommen im Allergiker-Paradies.
Rayne umarmt sie kurz und stellt mich dann vor. »Whitney, das ist Cole, eine frisch bekehrte Skeptikerin, die unbedingt deine Hilfe braucht.«
»Hilfe? Welche Hilfe?«, frage ich. Mir ist völlig schleierhaft, was wir hier zu suchen haben.
Whitney nickt verständig in meine Richtung und lächelt. »Bekehrte Skeptikerin, das klingt sehr interessant. Kommt mit.« Sie und Rayne verschwinden im Nebenzimmer, der Hund folgt ihnen ungefragt. Da ich keine Lust habe, allein in einer fremden Wohnung herumzusitzen, schließe ich mich ihm an.
Der Raum ist klein und bis auf einen niedrigen Tisch und ein paar Kissen auf dem Boden nicht möbliert. Ein kleiner Zimmerspringbrunnen in der Ecke untermalt leise plätschernd die Musik, vor den Fenstern schwebt hauchdünner Stoff. Das Gedudel macht mich schläfrig, und der Springbrunnen erinnert mich daran, dass ich aufs Klo muss.
»Bitte setz dich doch«, sagt Whitney und zeigt auf ein Kissen.
Als wir uns alle auf dem Boden niedergelassen haben, schaue ich Rayne an. »Kannst du mir endlich verraten, was wir hier eigentlich machen?«
»Wir finden heraus, was mit dir geschieht.«
Whitney sieht erst mich an, dann Rayne, und streichelt geistesabwesend den Kopf des Hundes. »Cole weiß nicht, warum sie hier ist?«
Rayne zuckt mit den Schultern. »Spontane Entscheidung. Aber ich wusste sofort, dass es die richtige ist.« Sie wendet sich mir zu. »Whitney ist Hellseherin. Meine Mom kommt seit Jahren hierher. Ich dachte, sie könnte dir vielleicht auch helfen.«
Ich schüttele den Kopf. Ich hätte wissen müssen, dass Rayne mit so was ankommt. »Eine Hellseherin? Bist du übergeschnappt?«
»Du erzählst mir mitten auf dem Gehweg, dass du dich an Dinge aus früheren Leben erinnerst, und fragst mich, ob ich übergeschnappt bin?«
Da hat sie wohl nicht ganz unrecht. Was Verrücktheit angeht, habe ich ihr zurzeit einiges voraus.
Whitney zieht die tadellos gezupften Augenbrauen hoch und schenkt mir ein gewinnendes Lächeln. Anscheinend habe ich ihr Interesse geweckt. »Hmm. Frühere Leben? Faszinierend. Aber wenn ich dir helfen soll, musst du deine inneren Widerstände überwinden. Das heißt, falls du überhaupt bleiben willst.«
Ich schaue mich im Zimmer um. Eigentlich sieht es eher aus wie ein Wellness-Raum und nicht wie die Höhle einer Wahrsagerin. Vielleicht bietet sie neben Kristallkugel-Sehen auch Bikini-Waxing an. Beides klingt nach einer Tortur. »Warum gibt es hier keine dicken Samtvorhänge und gruselige Tierfratzen an den Wänden?«
»Warum trage ich keinen Turban und warum flackern keine bunten Neonlichter im Fenster?« Sie wischt es
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