Für immer tot
sagt er.
Einschlusszeiten, Tag- und Nachtschicht, Standeskontrollen, kein Schlupfloch, keine Hoffnung. Nichts, das Max weiterhelfen könnte. So kreativ er auch denkt, Vinzenz macht alles zunichte, er verwirft jede Idee, erstickt sie beim ersten Atemzug, den sie macht. Der Gefängnisalltag will nichts wissen von Flucht und Rückkehr, von Verschwörungen und kleinen, unsichtbaren Helferlein und Löchern in den Mauern.
Teleportation, sagt Baroni.
Vinzenz lacht.
Bitte, sagt Max.
– Es muss einen Weg geben.
– Nein. Tut mir leid.
– Sie stirbt, meine Stiefmutter stirbt, wenn du mir nicht hilfst.
– Ich kann dir nicht helfen.
– Bitte, denk nach, es muss einen Weg geben.
– Ich kann dir nichts anderes sagen.
– Bitte.
– Leider.
– Hilf mir.
–
– Ich würde alles dafür tun.
– Wofür?
– Dass sie überlebt.
– Alles? Egal was?
– Ja.
– Du liebst sie?
– Mehr als das.
– Ich liebe auch jemanden.
– Schön für dich.
– Aber sie ist weit weg. Wir können uns nicht sehen, und ich vermisse sie.
– Das tut mir leid für dich.
– Sie ist in Thailand.
– Was macht sie in Thailand?
– Sie wartet dort auf mich.
– Lass uns bitte wieder über Wagner reden.
– Vielleicht kann ich doch etwas für euch tun.
– Was kannst du?
– Etwas für euch tun.
– Was?
– Ihr könntet ganz sicher gehen.
– Wie? Was meinst du?
– Ich hasse den Winter, ich hasse das Gefängnis, ich hasse Österreich, ich könnte zu ihr fahren.
– Was soll das? Wie kannst du uns helfen? Wie? Sag schon.
– Kommt darauf an.
– Worauf?
– Was es dir wert ist.
– Was soll das jetzt?
– Ich könnte da was arrangieren.
– Was?
– Du könntest noch einmal mit ihm reden, ihr könntet ganz sicher gehen, ob er die Wahrheit sagt.
– Das kann ich auch ohne dich.
– Nein. Du kannst nur durch die Glasscheibe mit ihm reden, während der Wärter euch zuschaut. Du wirst nie wissen, ob er lügt oder nicht.
– Und?
– Ich kann aber noch mehr für dich tun. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob es etwas bringt. Aber du scheinst es ja unbedingt darauf anlegen zu wollen.
– Worauf?
– Ich könnte dich mit ihm allein lassen. Es wäre dann kein Glas zwischen euch.
– Wozu soll das gut sein?
– Du könntest besser mit ihm reden, du hättest mehr Bewegungsfreiheit. Du könntest wirklich sicher gehen, ob er es war oder nicht.
– Wie?
– Mit Frischhaltefolie.
Max und Baroni hören zu. Ungläubig, ihre Münder stehen offen. Vinzenz redet, erklärt, wie man Menschen zum Reden bringt, sie foltert, ohne Spuren zu hinterlassen.
Ist eine gängige Praxis bei der Wiener Polizei, sagt er. Fünftausend Euro, und ihr seid dabei.
Korruptes Schwein, denkt Max und sagt ihm, er soll weiterreden.
– Frischhaltefolie ist besser als ein Plastiksack. Nur Stümper nehmen den Sack. Einen Sack musst du am Hals fest zudrücken, damit du ihm die Luft nimmst, und das hinterlässt Spuren. Mit Frischhaltefolie passiert dir das nicht. Einfach um seinen Kopf wickeln, zwei-, dreimal, fest gespannt, man wird nichts sehen in seinem Gesicht, keine Druckstellen, nichts. So, als wäre nichts passiert. Und er wird sich nicht beschweren, weil er weiß, dass niemand ihm glauben wird. Und dass er nichts beweisen kann.
– Wir spazieren also mit einer Rolle Frischhaltefolie durch die Sicherheitsschleuse?
– Kein Problem, du steckst sie dir in die Jackentasche, keiner wird sie dir wegnehmen. Ist ja nur Plastik.
– Wie krank bist du eigentlich?
– Ihr könnt natürlich auch einfach eine normale Plastikfolie nehmen, aber das ist unpraktisch, die Frischhaltefolie lässt sich wunderbar abrollen, und sie legt sich perfekt an das Gesicht an.
Vinzenz redet weiter, er erklärt, beschreibt, was passiert, wie der Gefolterte nach Luft ringt, er setzt sein Plädoyer für Frischhaltefolie fort. Baroni stellt Zwischenfragen, während Max an Tilda denkt.
Er stellt sich vor, er würde selbst in dieser Kiste liegen, eingesperrt. Er sieht sie vor sich im Dunkeln, wie sie ein Lied summt, ein fröhliches Lied, damit die Wirklichkeit ihr nicht die Luft nimmt. Er überlegt. Er weiß nicht, was er sagen soll, was er Vinzenz antworten soll, wie er reagieren soll. Ihn schlagen, ihn aus dem Gasthaus werfen, ihn anzeigen, ihn fragen, wie genau es ablaufen soll. Max weiß nicht, ob er so etwas tun könnte, ob er dazu imstande wäre.
Er schweigt, schaut nur, wie Vinzenz einen großen Schluck aus der Flasche nimmt. Dann wie Baroni in seine
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