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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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ihn unauffällig in die offene Wärterhand. Ungesehen verschwindet das Stück Papier in Vinzenz’ Hosentasche. Gerade als er ansetzen will, noch etwas zu flüstern, ihnen zu sagen, wie es vor sich gehen wird, kommt Wagner. Ein Beamter hat ihn bis zur Tür gebracht, Vinzenz deutet auf den leeren Stuhl und wartet, bis Wagner sich setzt.
    Sie können sich hier ungestört unterhalten, sagt er. Sobald die Zeit läuft, klopfe ich an die Scheibe, haben Sie das verstanden?
    Max und Baroni nicken.
    Wagner schaut verständnislos. Er versteht nicht, was der Wärter meint, von welchen fünf Minuten er spricht. Vinzenz geht aus dem Raum. Wagner schaut ihm nach. Dann setzt er sich.
    Wieder ist da dieses selbstgefällige Gesicht, dieses überlegene Grinsen, seine Unschuld, von der er sie mit jedem Satz überzeugen will. Max sieht in seinem Gesicht, wie er sich wundert über den neuerlichen Besuch, wie er Baroni erkennt, erfreut über den prominenten Gast. Er begrüßt Baroni, er drückt sich gewählt aus, er stellt sich auf einen Sockel und schaut auf sie herunter, arrogant, überlegen. Er sagt, dass er von dem Drama in den Nachrichten gehört hat, dass er noch einmal betonen muss, dass er nichts damit zu tun hat. Nichts.
    Wagner. Wie er grinst, dezent, aber er grinst. Wie er den Kopf schüttelt, wie Baroni mit den Beinen zappelt, wie er auf die Uhr schaut und immer wieder zu der Glasscheibe, hinter der die Beamten in ihre Bildschirme starren. Nichts rührt sich hinter der Jalousie, nur Konturen von Körpern. Nur Wagners Stimme und die von Max. Er sagt ihm, dass er mit Tilda telefoniert hat, dass sie sich absolut sicher ist, dass er es war. Dass sie sich nicht täuscht. Max weiß, dass sich hinter diesem Grinsen eine Fratze verbirgt.
    Dreckschwein, sagt er und berührt die Frischhaltefolie in seiner Tasche.
    Wagner schüttelt den Kopf.
    Was sind Sie bloß für ein Prolet, sagt er.
    Ich bring dich schon noch zum Reden, sagt Max.
    Wie er Wagner zu hassen beginnt.
    Wie er sich vorstellt, was passieren wird in wenigen Minuten, wie er das Klopfen hört in Gedanken.
    Ich kümmere mich um seinen Kopf, sagt Max.
    Wovon reden Sie, sagt Wagner.
    Es geht sehr schnell. Sie konnten sehen, wie zwei Beamte den Nebenraum verließen, durch die kleinen Schlitze in der Jalousie, nur noch einer bleibt im Raum zurück. Vinzenz.
    Er klopft.
    Blitzschnell springt Baroni auf und zieht Wagner den Stuhl weg. Wagner begreift nicht, was passiert, er stürzt zu Boden, er schaut Richtung Glaswand, er sucht nach Hilfe, doch Baroni setzt sich auf ihn, hält seine Arme fest. Keiner kommt in den Raum. Keiner hilft ihm. Keiner stört sie. Keiner sieht, wie Max die Rolle aus der Tasche zieht. Wie Wagners Kopf unter der Plastikfolie verschwindet.
    Alles läuft so ab, als hätten Max und Baroni für diesen Auftritt hundertmal geprobt, sie ergänzen sich perfekt. Baroni hält Hände, Beine, Füße. Max nimmt Wagner die Luft. Da ist niemand, der ihn davon abhält, niemand, der ihm sagt, dass es nicht richtig ist, was er macht, niemand, der sagt, er soll damit aufhören. Da ist nur Wagner, wie er zappelt, lautlos beginnt, um sein Leben zu betteln. Wie er zuckt. Wie er sich wehren will, wie Baroni ihn festhält, wie er seinen Kopf hin und her schleudert. Wie Max ihn festhält. Verzweifelte Laute, Stöhnen, Wagner.
    Max wartet ab. Er lässt die Folie auf seinem Kopf. Kurz noch. Er denkt an Tilda. Eine halbe Minute lang, eine Minute. Sie kauert in dieser Kiste, sie hat Durst, Hunger, sie kann nirgendwo hin, sie ist eingesperrt, kann sich nicht rühren, hat Angst. Und er ist verantwortlich dafür. Wagner. Tilda hat ihn gesehen. Eineinhalb Minuten. Gequältes Stöhnen. Dann reißt Max die Folie von Wagners Kopf. Er ringt nach Luft. Er bettelt, panisch, er hat Angst. Sie sollen damit aufhören. Sie sollen bitte damit aufhören.
    Max flüstert.
    – Du sagst mir jetzt, wo sie ist. Oder du stirbst.
    – Ich weiß es nicht. Ich habe nichts damit zu tun. Ich weiß es nicht. Um Gottes Willen, ich weiß es nicht. Bitte. Warum tun Sie das?
    Max spuckt ihn an. Wieder wickelt er Plastikfolie von der Rolle ab. Fest wickelt er sie um Wagners Kopf. Seine Gliedmaßen schreien verzweifelt um Hilfe, seine Augen sind weit aufgerissen, sein Mund steht offen, unter dem Plastik stöhnt er. Max und Baroni halten ihn am Boden, er bekommt keine Luft, er kämpft um sein Leben.
    Max denkt daran, dass er Tilda vielleicht nie wieder sehen wird, eineinhalb Minuten denkt er daran. Er ist wütend, er

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