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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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hasst diesen Mann am Boden, er ignoriert sein Stöhnen, er will ihn bestrafen, noch eine halbe Minute lang. Dann wieder die Frage. Und wieder keine Antwort, nur Betteln, Wimmern, Flehen um Hilfe. Das verständnislose Gesicht eines alten Mannes.
    Beeil dich, sagt Baroni.
    Ein letztes Mal, sagt Max.
    Wieder die Frischhaltefolie über Wagner. Max wiederholt immer dieselbe Frage, er ist ihm ganz nah, flüstert sie durch das Plastik in Wagners Ohr. Wo ist sie? Er hört nicht auf, die Plastikfolie liegt auf Wagners Haut. Max will eine Antwort, er will wissen, wo sie ist, er will, dass er es ausspuckt, dass es aus diesem widerlichen Mund kommt, er will, dass sich dieser Mund bewegt, dass er die richtigen Worte sagt, schnell. Er will es. Er drückt Wagners Kopf nach unten. Er sieht diese Augen. Die Folie, die auf ihm liegen bleibt. Wie sich sein Gesicht abbildet. Wie er atmen will, überleben will.
    Wie es plötzlich an die Scheibe klopft.
    Laut. Vinzenz.
    Seine Faust knallt gegen die Scheibe, er klopft, er schlägt, Wagner wird still, fast hört er auf zu atmen, seine Beine werden ruhiger, das Klopfen wird lauter, Wagner beginnt zu sterben.
    Die Folie bleibt auf seinem Gesicht.
    Wie es still wird unter dem Plastik. Wie Max flüstert, immer und immer wieder seine Frage. Wo sie ist. Wo er sie vergraben hat. Er wird die Folie nicht von seinem Kopf reißen, Wagner wird schweigen, er wird nichts sagen, die Folie bleibt auf ihm, er wird dafür bezahlen, er wird aufhören zu atmen, er wird sterben.
    Dreckschwein, sagt Max.
    Vinzenz schlägt an die Scheibe. Max rührt sich nicht. Nur Baroni bewegt sich. Er stößt Max zurück, reißt die Folie von Wagners Kopf und stopft alles in seine Tasche. Max fällt nach hinten, er richtet sich wütend wieder auf, er will nach Wagner greifen, aber Baroni hält ihn davon ab, zieht Wagner hoch, er ringt um Luft.
    – Nicht, Max, nicht, verdammt, was tust du?
    – Wo ist sie? Wo ist sie? Diese verdammte Drecksau soll mir sagen, wo sie ist.
    – Hör auf. Er weiß es nicht, er war es nicht, komm schon, du hilfst mir jetzt, ihn auf den Stuhl zu setzen, schnell, sie kommen zurück.
    –
    – Du sollst dich hinsetzen, Max.
    – Er war es.
    – Nein, Max. Hast du nicht gesehen, was eben passiert ist? Wenn er nur das Geringste damit zu tun hätte, wüssten wir es jetzt.
    – Ich werde es aus ihm herausholen, er wird es mir sagen, er wird sein beschissenes Maul aufmachen und reden.
    – Nein, Max, das wird er nicht. Wir gehen jetzt hinunter in dieses Scheißgasthaus, wecken Hanni und hauen von hier ab.
    – Schau ihn dir doch an. Er ist schuldig. Und dafür wird er bezahlen.
    – Er ist fertig, Max, der alte Mann bekommt kaum noch Luft. Du lässt jetzt die Finger von ihm, sie sehen jetzt alles, was hier passiert, verstehst du das? Sie sind wieder da, alle Beamten sind an ihren Plätzen, sie haben ausgeraucht, alles, was du jetzt tust, hat Konsequenzen.
    – So schnell geben wir nicht auf.
    – Willst du auch hier enden? Da drüben im Gasthaus liegt Hanni, sie wartet auf dich, Max. Sie will ein Leben mit dir, sie will dich nicht hier drin besuchen müssen. Niemand hat etwas davon, wenn du ihn umbringst.
    Max sitzt still. Wagner sitzt still. Nur Baroni redet.
    Er will Max zurück auf den Boden bringen, er reißt ihn aus seinem Rausch, er erinnert ihn daran, was sie hier wollten, er will ihn dazu bringen, die Dinge wieder klar zu sehen. Max, wie er seine Hände kaum festhalten kann, wie sie sich auf ihn stürzen wollen, wie sie Wagner weh tun wollen, ihn für das bestrafen, was er Tilda antut. Baroni hält ihn zurück. Er legt seine Hände auf die von Max und drückt sie nach unten.
    Nicht, sagt er.
    Doch, zischt Max.
    Baroni hält ihn zurück. Wagner wischt sich Schweiß von der Stirn, er atmet schwer. Drei Männer um einen Tisch. Die Beamten sehen nichts Besonderes, sie wissen nicht, was passiert ist, sie wissen nicht, warum die Beine von Max zittern, warum er zappelt, sie wissen nicht, dass er sich am liebsten noch einmal auf Wagner stürzen möchte. Nichts davon. Nur Vinzenz hat zugesehen. Keiner hört Wagner atmen, er sitzt ordentlich auf seinem Sessel, rührt sich nicht. Er steht nicht auf und schreit um Hilfe, er bleibt sitzen, hört zu, wie Baroni Max beruhigt, er ringt immer noch nach Luft. Wagner.
    Wie er sich sammelt, sich erholt, leise stöhnt. Er erholt sich von einem Hundert-Meter-Lauf, er ist auf einen Berg gestiegen, er ist schnell die Treppen nach oben gelaufen, er bringt sein Herz wieder

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