Für immer und eh nicht (German Edition)
Mutter ein. »Der Junge muss schließlich auch mal was essen.«
»Wir essen sonntags immer zusammen«, fügte Sebastian hinzu. »Das hat schon Tradition.«
»Komisch, dass ich nichts davon weiß«, murmelte ich. »Ich dachte immer, ich gehöre auch zur Familie.«
»Du hattest so selten Zeit. Also war das nur eine Sache zwischen Mama, Papa und mir.«
»Und wo ist Papa?« Ich trat in die Küche und blickte mich demonstrativ um. »Hat der heute auch keine Zeit?«
Meine Mutter presste die Lippen zusammen. »Das ist nicht lustig.«
»Nein.« Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken. »Mir ist auch überhaupt nicht komisch zumute. Genau genommen fühle ich mich schrecklich.«
»Du siehst furchtbar aus«, bemerkte Sebastian. »Du hast ein völlig geschwollenes, rotes Gesicht. Fast wie ein Pavian.«
Ich überging seine letzte Bemerkung, weil ich zu schwach für einen Streit war. »Ich fürchte, ich habe eine Pferdehaar-Allergie.«
Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Du warst noch nie gegen irgendetwas allergisch«, widersprach sie.
»So etwas kann sich plötzlich entwickeln.«
»Warum hast du Reitklamotten an?«, wollte Sebastian wissen.
»Wir sind zusammen ausgeritten.« Raphael trat hinter meinen Stuhl und massierte mir den Nacken. Seine sanfte Stimme und die Berührung beruhigten mich ein wenig.
»Du kannst doch gar nicht reiten«, sagte meine Mutter.
Wieso musste sie heute ständig widersprechen?
»Sie wird es lernen«, behauptete Raphael.
Noch mal auf ein Pferd? Mit Sicherheit nicht! Niemals würde ich meinen Hintern wieder auf den Rücken eines Pferdes setzen. »Oder auch nicht«, murmelte ich deshalb und erhob mich ächzend. »Ich gehe jetzt duschen.«
»Möchtest du mit uns essen, mein lieber Junge?«, fragte meine Mutter Raphael. Mein lieber Junge? Anscheinend hatte sie ihn bereits als Schwiegersohn adoptiert.
»Gern.« Er zog sich einen Stuhl heran und nahm am Küchentisch Platz.
»Es gibt Nudelsalat.«
»Er sieht lecker aus.«
»Magst du ein Bier?« Sebastian wartete die Antwort nicht ab, sondern ging zum Kühlschrank und holte eine Flasche heraus.
Raphael überlegte. »Ein Bier ist wohl in Ordnung. Ich muss ja noch fahren.«
»Falls es mehrere werden, kannst du gern bei mir übernachten«, bot Sebastian ihm an. »Meine Wohnung hat ein Gästezimmer, und man kann sie von hier aus bequem zu Fuß erreichen.«
»Wie großzügig von dir«, schnaubte ich aufgebracht. Unserer Mutter hatte er dieses Angebot nicht gemacht. Doch noch bevor ich ihn weiter beschimpfen konnte, erlitt ich einen heftigen Niesanfall.
Meine Mutter schob mich ins Badezimmer. »Jetzt gehst du erst einmal duschen! Sonst wirst du deine Atemprobleme nie los.« Sie schloss die Tür hinter uns und half mir beim Entkleiden.
Dankbar für ihre Hilfe öffnete ich den Reißverschluss der Reithose und ließ sie zu Boden fallen. Mit dem rechten Fuß schubste ich sie in Richtung Waschmaschine. Dort blinkte gerade der rote Knopf für das Schleuderprogramm auf.
»Wieso läuft die Waschmaschine?«, fragte ich und war einen Moment lang von meinen Problemen abgelenkt.
»Das ist Sebastians Wäsche.«
»Ich habe ihm verboten, bei mir zu waschen.«
»Er wäscht ja auch nicht, ich wasche«, entgegnete Mutter in der ihr eigenen Logik. »Übrigens habe ich deine Wäsche auch gemacht. Sie hängt schon auf dem Balkon, ich werde sie nach dem Abendessen bügeln.«
»Ich kann meine Wäsche selbst bügeln.«
»Mit diesen Händen?« Sie ergriff meine rot geschwollenen Handgelenke und hielt sie mir vor die Nase.
»Okay, du hast gewonnen.« Ich stieg in die Dusche, viel zu erschöpft, um zu widersprechen, und einen Augenblick später spürte ich die wohltuende Wärme des Wassers auf meiner Haut.
Als ich mit frischer Bekleidung zurück in die Küche kam, musste dort gerade etwas Ungeheuerliches passiert sein. Mein Bruder starrte Raphael mit offenem Mund ungläubig an, und auch meine Mutter wirkte überrascht. Raphael selbst hatte sich lässig im Stuhl zurückgelehnt, kaute an einem Stück Brot und sah sehr zufrieden aus.
»Ist was passiert?«, fragte ich ein wenig beunruhigt und setzte mich neben Raphael. Meine Mutter schob mir einen Teller mit Nudelsalat zu.
»Das kann man wohl sagen.« Sebastian schloss seinen Mund wieder. »Das ist echt unglaublich! Wieso hast du uns das nicht erzählt?« Er blickte mich vorwurfsvoll an.
»Was denn?«
»Wahrscheinlich ist dir gar nicht bewusst, worum es geht«, sagte mein Bruder lachend. »Du kennst dich doch
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