Für immer und eh nicht (German Edition)
unbeeindruckt. Zum Glück kam Raphael in diesem Moment mit einem rotbraunen Pferd aus einer anderen Box.
»Das ist Magic Bee. Sie ist eine sanfte Hannoveraner Stute und wie geschaffen zum Reitenlernen.«
»Findest du?« Skeptisch betrachtete ich das Tier. Wie sanft konnte ein Pferd sein, das Magische Biene hieß und aus seinen großen braunen Augen ebenso misstrauisch zurückblickte?
»Natürlich.«
»Hallo, Magic Bee«, flötete ich und hoffte, dass das Tier meine Heuchelei nicht durchschaute. »Du bist aber eine ganz Hübsche!«
»Hier!« Raphael drückte mir die Zügel in die Hand. »Ich gehe mich schnell umziehen und bringe dir dann deine Reitkleidung mit.«
»Aber ich habe doch gar keine –«, begann ich, froh darüber, ein Argument gegen diese unfreiwillige Reitstunde gefunden zu haben.
»Doch, du hast«, unterbrach er mich. »Ich habe dir eine Hose, einen Helm und ein Paar Stiefel gekauft.«
»Du hast was? Woher kennst du meine Größe?«
Er lächelte. »Glaubst du mir, wenn ich sage, dass ich gut im Schätzen bin?«
»Nein.«
»Okay, dann eben die Wahrheit: Neulich im Schuhladen hat das Größenschild aus deiner Hose herausgeschaut.«
Wie peinlich! »Das nächste Mal darfst du mich gern im Unklaren lassen.«
»Wird gemacht.«
Eine Viertelstunde später stand ich mit grüner Reithose, braunem Helm und schwarz-glänzenden Reitstiefeln vor Magic Bee und fühlte mich ein wenig wie die missratene, unglückliche Tochter von Robin Hood.
Neidisch schielte ich zu Raphael hinüber. Er machte in seiner schwarzen Reitkleidung eine blendende Figur. Sein Pferd, ein schwarzer Araber mit Namen Shahim, tänzelte erwartungsvoll neben ihm.
»Wir gehen heute nur Runden in der Halle. Ich bleibe immer neben dir, so dass dir gar nichts passieren kann.«
»Hatschi!« Das Jucken in meiner Nase war stärker geworden. »Ich glaube, ich habe mich erkältet«, bemerkte ich deshalb, während ich mir die Nase putzte. »Bei einer Erkältung sollte man nicht reiten.«
»Wo steht das denn geschrieben?« Raphael half mir in den Sattel. »Bei einer Erkältung gibt es nichts Besseres als Bewegung und frische Luft!«
Ich hätte ihm gern gesagt, dass ich als Apothekerin vermutlich ein wenig mehr von Medizin verstand als er. Außerdem war es wissenschaftlich bewiesen, dass man sich nicht anstrengen sollte, wenn man erkältet ist. Aber leider gehorchten mir meine Kiefermuskeln nicht. Sie waren vor Schreck gelähmt, seit ich im Sattel saß und einen Blick nach unten geworfen hatte.
So ein Pferderücken war verdammt hoch!
»Äh … Raphael«, stammelte ich. »Ich will wieder runter.«
»Nichts da!« Er schwang sich elegant auf sein eigenes Pferd und ergriff meine Zügel. »Aller Anfang ist schwer. Denk einfach dran, dass du immer schon vom Reiten geträumt hast.«
»Ab sofort träume ich nur noch vom Fahrradfahren.«
Langsam setzte sich Magic Bee in Bewegung, und ich hielt mich krampfhaft am Zaumzeug fest. Gleichzeitig versuchte ich, mit meinen Oberschenkeln den Leib der Stute zu umklammern. Schon nach wenigen Metern schmerzten meine Beine.
»Du musst den Rhythmus des Pferdes übernehmen«, wies Raphael mich an, als wir die Reithalle erreichten und in die erste Runde gingen.
Ich biss die Zähne zusammen und versuchte es. Es gelang mir nicht – im Gegenteil, ich prallte jedes Mal hart in den Sattel zurück, wenn Magic Bee einen Schritt machte. Zudem juckte meine Nase immer heftiger, und auch meine Hände begannen zu kribbeln.
Um mich von dem Schmerz abzulenken, warf ich einen Blick auf Raphael. Er saß aufrecht im Sattel und schien den Ausritt zu genießen. »Warum kannst du eigentlich so gut reiten?«, fragte ich neidisch.
»Das gehörte zu meiner Grundausbildung.«
»Dein Großvater war bestimmt jemand, der die alte Schule bevorzugte.«
»Wie? Ach so, ja.« Er nickte.
Für einen Moment vergaß ich mein Leiden und dachte über seine traurige Kindheit nach. Es musste schrecklich gewesen sein, bei einem alten Mann aufzuwachsen. Gedankenverloren zog ich die Zügel ein wenig zu fest zu mir heran, und Magic Bee blieb abrupt stehen. Beinahe wäre ich zu Boden gestürzt, doch Raphael hielt mich fest.
»Du sollst den Rhythmus finden!«, ermahnte er mich.
Ich nickte erschrocken. Der kleine Vorfall hatte mich in die harte Realität zurückgebracht, und bald schon spürte ich wieder jeden Knochen.
Nach der ersten, mir endlos erscheinenden Runde durch die Halle war ich mir sicher, dass Magic Bee und ich niemals denselben
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