Für immer untot
einmal und sprang, als auch diesmal ein Erfolg ausblieb. Es fiel mir deutlich schwerer, und nach dem Sprung war ich ziemlich benommen. Ich hatte auf die andere Seite des Raums gezielt, und als ich mich einigermaßen erholt hatte, war Pritkin fast da. »Hast du schon genug?«, rief er. »Mit Schwäche erreichst du nichts… «
»Du bist nur…. ein schlechter Verlierer.« Ich keuchte und bemühte mich, wieder zu Atem zu kommen. Der erste Sprung hatte sich angefühlt wie der Lauf über eine kurze Treppe; diesmal schienen zehn Stockwerke hinter mir zu liegen.
»Ich wusste gar nicht, dass ich verloren habe«, erwiderte Pritkin, während die Spitze seines Schwerts mit meinen Rippen Freundschaft schloss. Er nahm mich nicht ernst, achtete nicht auf meine Körpersprache und rechnete vermutlich damit, dass ich erneut sprang. Und deshalb sprang ich nicht.
Eine kurze Drehung und ein Schritt nach vorn brachten mich in seine Reichweite, und der Knauf meines Schwerts traf sein Kinn. Gleichzeitig hakte ich den einen Fuß hinter sein Bein. Einen Moment später lagen wir erneut auf dem Boden, und diesmal hatte ich eine hölzerne Klinge an seinem Hals. Pritkin ächzte überrascht, oder vielleicht deshalb, weil ich etwas zu fest zudrückte.
Nicht so fest, dass die Haut aufriss, aber es blieb eine rote Stelle zurück. Ich rollte von ihm herunter, mit heftig klopfendem Herzen und Beinen wie Gummi.
Schwer atmend lehnte ich mich an einen Spiegel. Ich hätte mich gern hämisch gefreut, weil ich vermutlich nie wieder Gelegenheit dazu bekommen würde, aber ich hatte einfach nicht genug Luft. »Ich habe gewonnen. Also rede.«
»Was möchtest du hören?«, fragte er und setzte sich neben mich.
Er sprach ruhig – der Mistkerl war nicht einmal außer Atem –, doch er hob sein Schwert nicht, sondern zog es über den Boden. »Dass das Geschöpf, das sich meiner Mutter aufzwang, sehr wohl wusste, dass sie bei der Geburt sterben würde, wie Hunderte von anderen Frauen, über die es hergefallen war? Dass nur der geringe Anteil von Elfenblut in ihren Adern ihr die Kraft gab, bis zur Geburt des Kindes zu überleben? Dass ich meine Existenz einer perversen Neugier verdanke, weil das Wesen wissen wollte, wie so etwas möglich ist?«
Ich blinzelte. Ich hatte eine gedankliche Liste von Diskussionspunkten vorbereitet, mit denen ich Pritkin dazu bringen wollte, mir Auskunft zu geben, aber die konnte ich jetzt zerknüllen und wegwerfen. Dass er auf diese Weise darüber sprach, ohne Verlegenheit und Zurückhaltung, hatte ich gewiss nicht erwartet. Und das war das Problem bei jedem Gespräch zwischen Pritkin und mir.
Ich war an die verbalen Auseinandersetzungen von Vamps gewöhnt, an verschlungene, hintergründige Konversation, einen Tanz aus Lügen und verborgenen Wahrheiten, oft still und gar nicht ausgesprochen. Ich kannte diesen Tanz und seine Schritte. Aber bei Pritkin gab es keine hintergründigen Gespräche, angedeuteten Drohungen und diskreten Vereinbarungen, sondern einfach eine unverblümte Nennung von Tatsachen, die mich seltsam verwirrte.
Immer wieder hielt ich nach versteckter Bedeutung Ausschau, obwohl es gar keine gab. Ich hoffte jedenfalls, dass es keine gab.
»Ich beginne zu verstehen, warum du Dämonen hasst«, sagte ich schließlich.
»Ich hasse Dämonen, weil sie nur deshalb existieren, um die Menschen heimzusuchen! Sie haben nichts Positives, sind bestenfalls ein Ärgernis und schlimmstenfalls Geißeln. Man sollte sie alle jagen und vernichten, einen nach dem anderen!«
»Willst du behaupten, dass es in einem ganzen Volk nicht einen einzigen…«
»Nicht einen.«
Ich wusste, was es bedeutete, mit dem Gefühl aufzuwachsen, dass im Leben etwas Wichtiges fehlte, keinen Grund zu haben, um Personen zu trauen, die ich nie gekannt hatte, deren Fehlen aber wie ein dauernder Schmerz war. Pritkin hatte zweifellos Grund, Rosier zu hassen, vielleicht auch die Dämonen im Allgemeinen, aber Völkermord erschien mir ein wenig übertrieben. »Und du bist ihnen allen begegnet?«, fragte ich und versuchte, nicht unter seinem brennenden grünen Blick zusammenzuzucken.
»Du bist bei Vampiren aufgewachsen«, sagte Pritkin grimmig. »Rate mal, wo ich meine Entwicklungsjahre verbracht habe.«
Etwas zu spät fiel mir ein, dass Casanova erwähnt hatte, Pritkin sei aus der Hölle geworfen worden. Ich hatte geglaubt, dass es übertrieben oder im übertragenen Sinn gemeint gewesen war. Doch als Pritkin aufsprang und mit gerötetem Gesicht
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