Für immer untot
für mich war. Denn er sprach gar nicht mehr von Vampiren, und das wussten wir beide. Und weil er bereits aussah, als hätte er einen Faustkampf gegen sich selbst verloren. Die Halsschlagader pulsierte, und seine Wangen glühten, doch Schatten lagen in den Augen. »Sag mir nicht, was ich bin. Lern stattdessen, dich zu wehren. Gegen sie und auch gegen mich.«
Erst später, als Pritkin bereits gegangen war, begriff ich, dass ich noch immer nicht wusste, warum Rosier mich töten wollte.
Achtzehn
»Kann ich dich nicht einmal fünf Minuten allein lassen?«, zischte Billy. Wie oft ich auch den Körper wechselte – was eigentlich nicht so oft geschah –, es fühlte sich immer seltsam an, die eigene Stimme Worte sagen zu hören, die das Gehirn nicht formuliert hatte. Vielleicht gewöhnte ich mich irgendwann daran, aber ich bezweifelte es.
Ich schaute zum getönten Fenster und sah mein erwartetes Spiegelbild: ein dunkler, finsterer Typ in einem zu auffälligen Anzug, mit glattem schwarzen Haar und leichtem Überbiss. Nicht das hübscheste Gesicht weit und breit, aber auch keins, das Blicke auf sich zog. Ich nahm mir vor, Alphonse dafür zu danken, dass er diesen Mann hierzu gezwungen hatte.
Besitznahme dieser Art schreckte Vampire ab, hauptsächlich deshalb, weil sie eigentlich unmöglich sein sollte. Selbst Vamps von geringer Stufe konnten einen unerwünschten Gast ohne große Mühe ausquartieren, und bei den stärkeren waren die Schilde so stark, dass sich gar nicht erst jemand in ihnen niederlassen konnte. Aber Marcello hätte lieber einen Anhalter an Bord genommen, als Bestrafung durch seinen Herrn zu riskieren. Bisher verhielt er sich anständig, blieb ruhig und versuchte nicht, wieder die Kontrolle zu übernehmen. Ich fragte mich, wie lange es dabei blieb.
Außerhalb der Limousine gingen die Neonlichter ineinander über, eine Welt aus Licht, Farben und Lärm. Billy und ich schickten uns an, die Stadt zu verlassen; ein Rendezvous mit dem Senat erwartete uns. Ich hatte mich auf den Weg gemacht, ohne Pritkin Bescheid zu geben, hauptsächlich deshalb, weil er und die Konsulin sich bei ihrer letzten Begegnung nicht unbedingt gut verstanden hatten und ich keine Hilfe dabei brauchte, einen schlechten Eindruck zu machen. Es gab noch einen zweiten Grund. Sobald ich Mircea weggebracht hatte, wollte ich den Codex holen und diese ganze Angelegenheit zu Ende bringen. Und ich war noch immer nicht – oder jetzt erst recht nicht – davon überzeugt, dass Pritkin Interesse daran hatte, einem Vampir das Leben zu retten . .
Trotzdem fühlte es sich seltsam an, ihn nicht dabeizuhaben: wie ein Halfter, in dem die Waffe fehlte. Mir war gar nicht bewusst geworden, wie sehr ich mich inzwischen an seine besondere Form des Wahnsinns gewöhnt hatte. Wirklich schade. Was wir an diesem Abend vorhatten, war genau seine Kragenweite.
Es gab also tausend Dinge, um die ich mir Gedanken machen musste, und weniger Hilfe als geplant. Was Billy aber keineswegs von seiner Nörgelei abhielt. »Du bist fast einen ganzen Tag unterwegs gewesen«, sagte ich.
»Oh, entschuldige, wenn ich mich dabei erschöpfe, dir das Leben zu retten!«, schnappte er. »Ganz zu schweigen davon, dass du schlafen und nicht mit Gangstern unterwegs sein solltest, die einen Überfall auf den Senat planen!«
»Wir überfallen den Senat nicht«, sagte ich geduldig und inzwischen zum sechsten Mal. »Wir gehen hinein, schnappen uns Mircea und verschwinden wieder. Keine große Sache.« Das wollte ich zumindest glauben.
»Klar. Und deshalb hast du solche Angst, dass du dich in einem anderen Körper niedergelassen hast.« Billy zappelte.
»Was ist?«
»Meine Möpse passen nicht in dieses Kleid. Und nein, ich kann nicht glauben, dass ich das gerade gesagt habe.«
»Hör auf damit.« Ich stieß seine Hände von den Teilen meiner Anatomie weg, die sie nicht genauer kennen mussten. »Du sollst würdevoll aussehen.«
»In diesen Schuhen? Ich kann von Glück sagen, wenn ich dir nicht den Hals breche.«
»Frauen laufen die ganze Zeit darin herum. Du musst nur einen Abend damit klarkommen. Hör auf zu jammern.«
»Jammern? Willst du vielleicht übers Jammern reden?«
»Ich nehme alles zurück«, wandte sich Sal an mich. Sie und der Rest von Alphonses Jungs hatten den Wortwechsel mit vagem Interesse verfolgt – was bei Vampiren bedeutete, dass sie sehr interessiert waren. Sals Freund und Casanova saßen in der anderen Limousine, angeblich um Familiensolidarität all jenen
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