Für immer untot
Erwägung gezogen?«
»Es gibt keine Alternativen«, erwiderte er kategorisch. »Selbst Rosier konnte den Geis nicht brechen, und das braucht er auch gar nicht. Mit seiner Macht kann er sich lange genug über den Geis hinwegsetzen, um Nahrung aufzunehmen, lange genug, um das Leben aus dir zu saugen, und auch die Kraft deines Amtes. Eine tolle Mahlzeit für ihn!«
»Hat er es darauf abgesehen? Auf die Kraft meines Amtes?«
Pritkin antwortete nicht. Vielleicht hatte er die Frage nicht einmal gehört. Er nahm eine Strähne meines Haars und zog daran.
»Siehst du, wie stark es ist, wie widerstandsfähig? Und weißt du, wie ein Mensch aussieht, wenn ein Inkubus ihn ganz entleert hat? Das Haar spröde wie Stroh, die Haut dünn und alt, die Jugend dahin, alles verloren…« Mit einem Ruck wandte er sich ab. »Ich habe eine lange Liste von Gründen, dieses Geschöpf zu hassen«, sagte er nach einem Moment, mit Schärfe in jedem einzelnen Wort. »Ganz oben steht sein Versäumnis, mich auf meine Natur hinzuweisen. Er hat sich nie auch nur eine Minute Zeit genommen, um mich zu warnen und mir dabei zu helfen, nicht so zu werden wie er.«
»Du bist kein Dämon«, versicherte ich ihm.
»Sag das meinem Opfer.«
»Ich verstehe nicht.«
Erneut wirbelte er zu mir herum, und sein Gesichtsausdruck ließ mich zusammenzucken. »Dann will ich es dir erklären. Als ich von meinem Aufenthalt in der Hölle zurückkehrte, wollte ich ein normales Leben führen. Ich lernte eine junge Frau kennen, und nach einer Weile heirateten wir. In unserer Hochzeitsnacht habe ich ihr das Leben ausgesaugt, so wie es dir fast bei diesem Wesen passiert wäre.«
Mir dämmerte etwas. Ich glaubte zu wissen, wer die Frau auf dem Bild war und warum Pritkin das Foto bei sich führte. Ich hätte es wissen sollen: Es diente ihm nicht als Andenken; er bestrafte sich damit. Ich hätte ihm sagen können, dass es nicht seine Schuld war, dass er nichts von der Gefahr gewusst hatte. Ich hätte ihm sagen können: Wenn ich die Frau gewesen wäre, hätte ich nicht gewollt, dass er sich mehr als hundert Jahre wegen meines Todes quälte. Aber ich wusste, welche Antwort er mir gegeben hätte. Der Blick, den ich von ihm bekam, wäre in der Lage gewesen, Glas zu schmelzen.
»Es war ein Unfall«, sagte ich schließlich. »Du hast es nicht gewollt…«
»Und das war ihr bestimmt ein großer Trost, als sie dalag und ihr Leben aushauchte«, erwiderte Pritkin voller Bitterkeit. Seine Worte waren so kalt, dass ich fröstelte. »Verraten von dem Mann, der sie hätte schützen sollen, dem sie mehr vertraute als allen anderen. Zum Schluss sah sie mich, wie ich wirklich bin, und es entsetzte sie. Von Anfang an hätte sie entsetzt sein sollen. Und das gilt auch für dich.«
»Pritkin… «
Er trieb mich zurück, bis ich an die Wand stieß. Die Luft um ihn herum schien zu knistern, und es bereitete mir Unbehagen, ihn anzusehen. »Die Vampire haben die Furcht aus dir vertrieben, nicht wahr? Es macht dir nichts aus, dass sich die Ungeheuer an deiner Lebenskraft laben. Du glaubst, dass sie wie du sind, Menschen mit einer Krankheit. Möchtest du wissen, wie dich die Vampire sehen?«
Ich war bei Geschöpfen aufgewachsen, die mich ebenso leicht töten konnten wie ich einen Käfer. Ich wusste, auf welche Weise sie mich sahen, und nicht nur mich, sondern alle Menschen. Aber wenn man etwas leicht töten konnte, bedeutete das noch lange nicht, dass man von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machte. Nicht wenn das, was man töten konnte, lebendig viel wertvoller war. Das war das Seil, auf dem ich schon balanciert hatte, noch bevor mir überhaupt klar geworden war, dass ich auf einem stand. »Das weiß ich schon… «
Pritkins Augen wurden ganz grün und leer. Er sah aus wie jemand, der Leute getötet hatte, die so dumm gewesen waren, nicht die Flucht zu ergreifen, als sie dazu in der Lage gewesen waren. »Das bezweifle ich. Du glaubst vielleicht, dass Vampire Anteil nehmen und fähig sind zu lieben. Glaub von mir aus, was es dir leichter macht, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, aber wisse dies: Für sie bist du nichts weiter als Nahrung. Wenn du das vergisst, wirst du verwundbar. Und wenn du dich oft genug als potenzielles Opfer präsentierst, werden sie dich früher oder später zerstören. Nicht weil sie dich hassen, sondern weil es in ihrem Wesen liegt. Und nichts wird jemals etwas daran ändern.«
Ich versuchte nicht, ihn noch einmal darauf hinzuweisen, dass das nichts Neues
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