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Für immer untot

Für immer untot

Titel: Für immer untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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kein Sprung infrage.
    Ich biss mir auf die Lippe und starrte zum Boden hoch, der gar nicht da war. Es war seltsam, ihn aus dieser Perspektive zu sehen, wie eine von Schmutz und Steinen durchsetzte Meeresoberfläche. Meiner Konzentration half dieser Anblick nicht, und so brachte ich mich in eine sitzende Position und sah von oben darauf hinab.
    Früher hatte meine Reaktion auf Schreckliches aller Art darin bestanden, wegzulaufen und mich irgendwo zu verstecken. In der guten alten Zeit war das eine durchaus wirkungsvolle Überlebensstrategie gewesen, damals, als es nur einen mordlustigen Vampir zu fürchten gab. Der Unterschied zwischen damals und jetzt bestand vor allem darin, dass es tatsächlich möglich gewesen war, vor den früheren Problemen wegzulaufen. Jetzt hatte ich Pflichten und Verantwortung, Dinge, die ich ständig mit mir herumtrug. Es gab etwa ein Dutzend Albträume, die jeden Tag darum wetteiferten, die Nummer eins zu werden, und jeder von ihnen war auf seine eigene Art und Weise schrecklich.
    Ganz oben auf der Liste stand die Furcht, dass ich tatenlos zusehen musste, wie ein weiterer Freund bei dem Versuch starb, mir zu helfen.
    Plötzlich war ich froh, dass mein Blick nicht durch das Trugbild des Bodens reichte.
    Der Boden fühlte sich bröckelig an, als ich mich erneut über den Rand des Lochs schob. Vielleicht lag es auch an meinen zitternden Händen. Kleine Steine gerieten ins Rutschen und fielen durch die getarnte Öffnung, und einige von ihnen mussten Pritkin getroffen haben, denn ich hörte ihn fluchen.
    »Was zum Teufel machen Sie da?«
    »Ein paar Verrenkungen. Wegen meiner Sturheit, erinnern Sie sich? Sehen Sie mein Bein?«
    Mit Armen und Ellenbogen hielt ich mich am Rand des Abgrunds fest, aber es fühlte sich keineswegs sicher an. Ich achtete darauf, nicht nach unten zu sehen, aber einige Sekunden lang horchte ich und wartete darauf, dass die Steine unten aufschlugen. Nichts dergleichen geschah.
    Ich versuchte, mit dem Fuß umherzutasten, ohne abzustürzen, fand aber nur leere Luft. Und wenn ich nackte Haut berühren musste, verdammt? Warum hatte ich nicht daran gedacht, zuerst die Schuhe auszuziehen? Ich bemühte mich, den einen mit dem anderen abzustreifen, aber durch das Wasser schienen die Tennisschuhe geschrumpft zu sein. »Fassen Sie meinen Fußknöchel.«
    Einige nicht sehr zivilisiert klingende Worte hallten von den Wänden wider.
    »Ich kann nichts fassen, ohne vorher loszulassen!«
    »Sie haben zwei Hände!«
    »Hören Sie.« Pritkins Stimme war ruhig und kontrolliert. Auf diese Weise sprach er, wenn er vorgab, vernünftig zu sein. »Die Waffe kann ich nicht loslassen, weil da unten etwas lauert. Es hat mich durchs Loch gezogen. Jeden Moment könnte es das Interesse an mir verlieren und sich Ihnen zuwenden. Sie müssen…« Er brach ab, als Rufe und das Krachen von Explosionen aus dem Tunnel kamen. Jemand näherte sich. »Verdammt und zugenäht, springen Sie!«
    »Fassen Sie mein Bein!«
    Ich ließ mich noch tiefer hinab, bis mein Kopf gerade noch über den Rand des Abgrunds ragte, und trotzdem ertastete mein Fuß nur Leere. Der Boden unter meinen Armen zerbröckelte, und mir brach der Schweiß aus, wodurch die Hände schlüpfrig wurden. Stechender Schmerz breitete sich in den Armen zu den Schultern hin aus, und an den Seiten des Abgrunds gab es keinen Halt für meine Füße. Wie weit unten steckte Pritkin bloß?
    Und dann spielte es keine Rolle, denn zwei Stiefel verharrten direkt vor meinen Augen. Ich neigte den Kopf nach hinten und sah einen älteren Mann mit grau meliertem Haar und hellgrauen Augen, der auf mich herab lächelte. Manassier.
    Na, das erklärte eine Menge…
    »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so weit kommen«, sagte er mit seinem ausgeprägten Akzent. Noch am Nachmittag hatte ich ihn für reizend gehalten.
    Irgendwann hatte ich mir so fest auf die Zunge gebissen, dass ich Kupfer schmeckte. Ich schluckte Blut. »Überraschung.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Und wenn schon. Ich kassiere trotzdem das Kopfgeld.«
    »Es gibt ein Kopfgeld?«
    »Eine halbe Million Euro.« Sein Lächeln wuchs in die Breite. »Sie sind auf dem besten Weg, mich reich zu machen.«
    »Eine halbe Million? Soll das ein Witz sein? Ich bin die Pythia und viel mehr wert.«
    Er holte eine Pistole hervor, eine SIG-Sauer P210. Ich erkannte sie aufgrund der Schießübungen, die Pritkin mit mir veranstaltet hatte. Zwar konnte ich seitdem nicht besser schießen, aber alle Arten von Waffen

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