Für immer untot
auszuweiten und zu mehren, besteht in dem Versuch, sie zu begrenzen.«
»Selbst wenn ich dadurch zu deinem Meister werde?«, hauchte ich.
Für einen langen Moment geschah gar nichts. Dann war Mircea plötzlich über mir, stützte sich mit den Armen rechts und links ab und sah mir in die Augen.
Seine Pupillen waren noch geweitet und die Haut heiß. Aber im Gegensatz zu mir hatte er sich unter Kontrolle. »Wie meinst du das?«, fragte er.
»Der Geis reagiert auf Macht.« Sein Haar kitzelte meine Brust, weich wie Blütenblätter, und plötzlich war das Gefühl fast unerträglich. Ich wimmerte und brauchte meine ganze Selbstbeherrschung, um nicht die Hände nach ihm auszustrecken. »Und jetzt bin ich die Pythia… «
Seine Augen wurden groß. Schmerz und Überraschung trafen in seinem Gesicht auf etwas Dunkleres und Elementareres. »Deine Macht könnte größer sein als meine.«
Ich nickte, und selbst dazu war ich kaum imstande. Meine Haut schien in Flammen zu stehen, mein Puls jagte, und ich hatte praktisch keine Willenskraft mehr. Ich brachte meinen Oberschenkel zwischen seine Beine, legte den Arm um seinen Rücken und hielt mich einfach fest. Am liebsten hätte ich laut gestöhnt und mehr von ihm verlangt, aber ich biss mir auf die Lippe, um das alles zurückzuhalten.
Mircea umarmte mich, und ich erbebte am ganzen Leib, als er mich an sich drückte. Zwischen Küssen murmelte er: »Es ist alles in Ordnung. Es wird alles gut.« Und ich schluchzte wortlos und versuchte, ihm zu antworten, dass eben nicht alles in Ordnung war.
Er streichelte mich, vom Nacken aus über den ganzen Rücken, immer wieder, murmelte dabei Worte, die keinen Sinn ergaben. Plötzlich verschwand das Feuer aus mir, alle Muskeln erschlafften, und es brauste in meinen Ohren. Ein Zauber, begriff ich. Normalerweise wäre ich wütend gewesen, dass er mich auf diese Weise manipulierte, aber angesichts der besonderen Umstände war ich dankbar. Wärme und die Gewissheit, sicher zu sein, lullten mich ein, und schließlich war ich so entspannt, dass ich einschlief.
Ich erwachte, als die Tür aufsprang und Horatiu hereinwankte. Es schien nicht viel später zu sein, denn draußen war es noch immer dunkel. Ich schwitzte, und die Decke, die jemand über mich gelegt hatte, war verheddert und klebte an mir. Im Kamin brannte ein großes Feuer, und es war regelrecht heiß im Zimmer.
»Wo ist der Herr?«, fragte Horatiu mit zittriger Stimme.
Ich setzte mich auf und hielt meinen Kopf. Er tat weh, und meine Kehle war wie ausgedörrt. Hinzukam eine ordentliche Portion Benommenheit – die typischen Hinweise darauf, dass die Wirkung eines starken Zaubers nachließ. Mircea hatte schweres Geschütz auffahren müssen, um mit dem Geis fertig zu werden, und das Ergebnis war schlimmer als ein ausgewachsener Kater. Ich stand auf, taumelte zum Fenster, öffnete es und schnappte nach der frischen, kalten Luft.
»Der Herr?«, wiederholte Horatiu.
Ich sah ihn über die Schulter hinweg an und blinzelte. Er hielt ein angelaufenes silbernes Tablett in zitternden Händen, darauf eine wackelnde Flasche Wein.
»Keine Ahnung«, sagte ich und trat näher, um ihm das Tablett abzunehmen, und plötzlich waren seine Hände an meinem ohnehin schon wunden Hals.
Ich wusste, wer mich gepackt hatte, noch bevor ich sah, wie die Altersflecken verblassten und sich die Form der Hände veränderte. »Wie hast du uns gefunden?«, fragte ich und versuchte gar nicht, mich zur Wehr zu setzen.
»Du warst so nett, den Namen des Vampirs in meiner Hörweite zu nennen«, höhnte Pritkin. »Und er scheint in Paris gut bekannt zu sein. Es fiel mir nicht weiter schwer herauszufinden, wo ›Lord Mircea‹ wohnt.«
»Du hast dem Alten doch nichts zuleide getan, oder?«, fragte ich und überlegte, was er mit dem echten Horatiu angestellt haben mochte. Hoffentlich hatte ein Versprecher nicht ein jahrhundertealtes Leben beendet.
Pritkins bellendes Lachen hallte laut in meinen Ohren. »Ich hab ihn schlafend vorgefunden, mit dem Tablett neben ihm. Er hat von mir nichts zu befürchten. Mit ihm habe ich keinen Streit.«
»Nein, du möchtest Streit mit mir, und meine Geduld hat Grenzen«, zischte Mircea. Er war in der Tür erschienen, ebenfalls mit einem Tablett in der Hand.
Offenbar hatte er mir etwas zu essen bringen wollen: Brot, Butter und Marmelade.
»Dann will ich deine Geduld nicht noch länger auf die Probe stellen!« Pritkin holte eine dunkle Kugel unter seinem Mantel hervor. »Gib mir die Karte,
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