Für immer untot
Rücken, einer der stärksten Zauber des Kreises. Meine Mutter war einst Erbin für das Amt der Pythia gewesen, bevor sie zusammen mit meinem Vater die Flucht ergriffen hatte und daraufhin verstoßen worden war; den Stern hatte sie damals zur Sicherheit erhalten. Er konnte recht wirkungsvoll sein, aber der Geis störte ihn.
Mit anderen Worten: Bei dieser Sache musste ich ohne ihn klarkommen.
Ich versuchte, mich zur Wehr zu setzen, aber die Arme und Beine wollten sich nicht bewegen. Meine Kraft floss in das grässliche Ding, das mich sanft und doch erbarmungslos festhielt. Mein Körper fühlte sich so schwer und leblos an, als hätte mich das Geschöpf bereits leergefressen. Aber ich wusste, dass es noch nicht so weit war, denn es nagte sich mir ins Knochenmark, und eine seltsame Lähmung sorgte dafür, dass ich nicht einmal schreien konnte, als mir das Wesen nach und nach mein Leben nahm. Mein Bewusstsein trübte sich immer mehr; der Körper schien mich abschirmen zu wollen von dem, was mir jetzt bevorstand…
Und dann war die Kreatur fort von mir, mit Pritkins Arm an der Kehle. Ich starrte Pritkins Ebenbild an, das hell loderte wie eine Flamme, voller gestohlener Kraft. Und plötzlich begriff ich.
»Du bist ein Inkubus!« Meine Worte galten dem Geist, doch die Antwort stammte von Pritkin.
»Nur zur Hälfte«, knurrte er und drehte den Kopf des Wesens mit einem Ruck, der einem Menschen das Genick gebrochen hätte.
Mit einer Bewegung, die so schnell war, dass ich sie nicht verfolgen konnte, befreite sich das Geschöpf aus dem Griff des Magiers und schleuderte ihn zum Fenster. Dort prallte er so hart auf, dass es die einzelnen Teile des Buntglasfensters aus ihren Einfassungen riss. Das Wesen wandte sich wieder mir zu, mit pechschwarzen Augen – die Pupillen schienen sich ausgedehnt und alles andere vereinnahmt zu haben.
Ich hob die Hand und hatte einen Schrei im Hals, aber er kam mir nicht über die Lippen. Denn plötzlich hörte der Angriff auf. Es gab keine Geräusche, keine Bewegung. Nichts.
Nach einer verblüfften Sekunde wurde mir klar, dass die roten Flecken vor meinen Augen Splitter aus rubinrotem Glas waren, die der Kampf in meine Richtung warf. Sie verharrten mitten in der Luft, als warteten sie auf die Erlaubnis, fallen zu dürfen. Denn alles andere war ebenfalls erstarrt, vom dunkeläugigen Dämon bis hin zu Pritkin, der auf halbem Weg durch das zerbrochene Fenster gefangen war, dessen scharfe Kanten sich ihm in die Haut bohrten. Die einzigen Bewegungen im Zimmer stammten von mir.
Agnes, die frühere Pythia, war zu so etwas imstande gewesen: Sie hatte für kurze Zeit die Zeit regelrecht anhalten können. Aber ich hatte das nie gelernt.
Mit plötzlicher Sorge dachte ich daran, dass ich auch nicht wusste, wie man die Zeit wieder in Gang setzte. Ich beschloss, mir darüber später Sorgen zu machen und mich zunächst einem anderen Problem zu widmen. Ich nahm eine Flasche von Pritkins Regal, zog den Stöpsel heraus und schüttete dem Dämon den Inhalt ins Gesicht.
Sein Haar bekam etwas Rosarotes, aber abgesehen davon tat sich nichts.
Daraufhin geriet ich ein wenig in Panik und warf alles nach ihm, was ich in die Finger bekam. Einigen Phiolen mit Flüssigkeiten so klar wie Wasser folgten andere mit sirupartigem Inhalt, dessen Geruch mir Schwindel bescherte. Doch obwohl Pritkins Arsenal für den Kampf gegen Dämonen bestimmt war, schien nichts davon eine Wirkung zu erzielen.
Ich leerte das ganze Regal, ohne den Blick von dem glühenden Gesicht abzuwenden, hatte dabei das unheimliche Gefühl, von jemandem hinter den schwarzen Augen beobachtet zu werden. Mir richteten sich die Nackenhaare auf, vor meinen Augen waberte es, und alles setzte sich wieder in Bewegung.
Pritkin fiel ganz durchs Fenster, und der Dämon kreischte, ein Geräusch, das sich mit dem silbrigen Klirren splitternden Glases vermischte und ziemlich schmerzerfüllt Hang. Ich schätzte, dass die Flüssigkeiten wegen der angehaltenen Zeit nicht gewirkt hatten, aber jetzt stellten sie durchaus etwas an. Einige von ihnen setzten Kleidung und Haar in Brand und erfüllten die Luft mit dem Geruch von brennendem Leder. Das Wesen versuchte, die Flammen mit den Händen auszuschlagen, was ihm aber nur Blasen an ihnen einbrachte. Und der Inhalt des letzten von mir geworfenen Fläschchens – dunkelrot, mit einem starken Pfeffergeruch –, ließ sein Gesicht wie Wachs schmelzen.
Nach einigen Momenten gab es den Versuch auf, sich selbst zu retten,
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