Für immer untot
Dann verschwand der Sturm so schnell, wie er gekommen war. Völlige Stille herrschte, abgesehen vom leisen Pfeifen meines Atems.
Ich rollte auf den Rücken, starrte an die Decke und konzentrierte mich ganz darauf, die Lungen mit Luft zu füllen. Meine Hand lag offen auf dem Boden, die Finger noch immer um das Messer geschlossen, das ich gar nicht benutzt hatte.
Zwar lag ich auf festem Beton, aber mir war trotzdem schwindelig, als könnte ich jeden Augenblick über den Rand der Welt fallen. Wenigstens war der Dämon hinüber, dachte ich benommen, und dann übergab ich mich.
Das Kotzen schien eine ganze Weile zu dauern, obwohl: Mein Zeitgefühl war so vermurkst, dass ich es nicht genau wusste. Die Dunkelheit wollte mehrmals vor meine Augen zurückkehren, und ich blinzelte sie fort, bis ich schließlich Pritkins abgewetzte Stiefelspitzen sah, außerdem die blasse Innenseite seines Bizeps, als er mich in den Armen hielt. In meinem Kopf hämmerte es, und mein Körper bebte auf eine Weise, die mir peinlich gewesen wäre, wenn ich mich nicht so sehr bemüht hätte, keine Extravorstellung zu geben.
Ich bekam die Hand auf den Boden und versuchte, mich hochzudrücken, aber Pritkin zog mich näher. »Warte noch einen Moment.« In der Stimme vibrierte Zorn, doch seine Finger waren warm und sanft auf meiner Haut. Das war gut, denn ich fühlte mich kalt und leicht wie eine gefrorene Blase.
Blut klebte dort an ihm, wo ihm das Glas vom zerbrochenen Fenster in die Haut geschnitten hatte – in dünnen Bahnen rann es über den Unterarm zum Ellenbogen –, und seinen Augen schien das Sehen ebenso schwerzufallen wie meinen. Ich hatte keine Ahnung, warum er kein Fleck unten auf dem Parkplatz war, aber offenbar unterschätzte ich ihn schon seit einer ganzen Weile.
Sprachlos sah ich ihn an, doch Billy Joe wusste, was es zu sagen galt.
»Der beste Dämonenjäger des Kreises ist also selbst ein halber Dämon«, kommentierte er und schwebte am Schrank vorbei auf uns zu. »Und dieses Wesen da ist sein Vater. Was für eine Überraschung.«
Auch für mich, dachte ich.
Fünfzehn
Den Rest des Tages verbrachte ich im Bett, voller Schmerzen. Es tat sogar weh, die Muskeln zu entspannen. Ich konnte kaum glauben, dass man so mitgenommen und noch am Leben sein konnte. Ob es an dem Angriff lag, dass ich mich so mies fühlte, oder an der Sache mit der angehaltenen Zeit – das wusste ich nicht. Meine Vorgängerin war kurz nach ihrem letzten Trick dieser Art gestorben, was mir vielleicht eine Warnung sein sollte. Was auch immer der Grund sein mochte, mein Körper fühlte sich an wie durch die Mangel gedreht.
Um meinen geistigen Zustand war es nicht viel besser bestellt. Als ich schließlich einschlief, träumte ich von Pritkins Gesicht und einem strahlenden, unbedachten Lächeln darin, was unheimlich genug war, denn in der Realität hatte ich einen solchen Gesichtsausdruck nie gesehen. Dann verformte sich das Gesicht, als bestünde es aus Wachs, das immer mehr schmolz und übers Kinn tropfte. Die Augen verdrehten sich in ihren Höhlen, und aus dem strahlenden Lächeln wurden gebleckte Zähne. In kalten Schweiß gebadet schreckte ich aus dem Schlaf.
Ich betrachtete die Muster, die das Licht der Nachttischlampe an der Decke schuf, und zwang mich zur Ruhe. Das bin nicht ich, dachte ich wütend. Mir stockt nicht der Atem, es sei denn, ich will das. Ich denke nicht über Dinge nach, über die ich nicht nachdenken will. Und ich schreie nicht wie ein kleines Mädchen, das sich von einem verdammten Albtraum erschrecken lässt. Ich atmete mehrmals tief durch, ganz ruhig, bis mein Herz nicht mehr ganz so schnell schlug.
Dann öffnete sich die Tür, und Pritkin stand dort und starrte mich an. Es grollte plötzlich, es rauschte, und in meiner Nähe knisterte es in der Luft. Woraufhin ich wie ein kleines Mädchen schrie.
Er sprang herein, riss mich vom Bett, warf mich zu Boden und schützte mich mit seinem eigenen Leib. Ich wartete auf die grässliche Lethargie und das noch grässlichere Gefühl, ausgesaugt zu werden, aber nichts dergleichen geschah.
Nach einer Weile hörte das Rauschen und Knistern auf. Ich fühlte, wie mein Gesicht heiß wurde, obwohl es an den kalten Betonboden gedrückt war.
»Ich bin durchaus dankbar, dass du mich vor der Klimaanlage schützt«, murmelte ich. »Aber kann ich jetzt aufstehen?«
Pritkin gab mich frei, half mir zum Bett zurück und verschwand. Wogegen es nichts einzuwenden gab – ich hatte noch immer keine blasse
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