Für immer untot
gehörst du zu Lord Mircea«, betonte sie voller Ehrfurcht.
Es wäre vermutlich ein Fehler gewesen, meine tatsächliche Beziehung zu Mircea zu erklären, zumal ich selbst nicht genau wusste, wie sie aussah. »Und?«
»Du repräsentierst die Familie. Und das…« Sals Wink galt meinem offensichtlichen Mangel an Kleidungseleganz. »Es ist geradezu peinlich.«
»Wie bitte?«
»In einer solchen Aufmachung kannst du nicht herumlaufen«, sagte Sal so deutlich, als hielte sie mich für schwer von Begriff. Ihr Freund schwang unterdessen an einem Kronleuchter und ließ sich auf Casanovas Jungs fallen, die damit beschäftigt waren, den mir unbekannten Vamp zu Brei zu schlagen.
»Ich habe eigentlich nicht heute Nacht mit euch gerechnet«, sagte ich zu meiner Verteidigung. »Ganz zu schweigen davon, dass ich verkleidet bin.«
»Als was? Als Obdachlose?«
Ich hätte daran denken sollen: Mircea gehörte zu einer Minderheit von Vampiren, die ein dezentes Erscheinungsbild bevorzugten. Die meisten neigten dazu, sich bei jeder Gelegenheit herauszuputzen, und das galt auch für Alphonse. Mehr als einmal war er am Hof in Schwierigkeiten geraten, weil er mit seinem Protz Big Boss in den Schatten stellte. Diesmal trug er einen aus New York stammenden Maßanzug, für den er vermutlich drei oder vier Riesen abgedrückt hatte, und hinzukamen genug Klunker, um selbst einen Rap-Star neidisch zu machen. Vielleicht hätte ich mir wenigstens das Haar kämmen sollen, dachte ich.
Casanova kam in den Saal gewankt, nahm einen Drink von dem Tablett, das Sal aufs Ende der Sitzbank gestellt hatte, kippte ihn herunter, griff dann nach dem Tablett selbst und warf es nach Alphonses Hals. Alphonse duckte sich im letzten Moment, und das Ding flog zu Deino weiter, die es wie einen Frisbee fing und zurückschickte. Sal pflückte es aus der Luft und stellte ihr inzwischen leeres Glas darauf, bevor sie es wieder auf die Sitzbank legte.
»Du brauchst einen Look«, sagte sie nachdenklich.
»Was?«
»Ein Image.«
Ich blinzelte. Es war verwirrend, Worte wie Look und Image aus Sals Mund zu hören. Bei Tony hatte ich sie kaum gekannt. Die meiste Zeit über hatte sie an Alphonse geklebt, etwas Kurzes, Enges und Freizügiges getragen und verdammt gut die Rolle der dummen Blondine gespielt. Um ganz ehrlich zu sein: Bis eben hatte ich geglaubt, dass sie eine dumme Blondine war.
»Nimm mich, zum Beispiel. Ich bin ein ehemaliges Saloon-Girl und Gangsterliebchen. Glaubst du, jemand hätte mich für voll genommen, wenn ich in Dior erschienen wäre?«
»Wie wär’s mit Gaultier?«, fragte ich und riss die Beine zur Seite, als ein Vampir mit dem Kopf voran über den Boden rutschte und unter der Sitzbank verschwand. Als er nicht sofort wieder darunter hervorkroch, warf ich einen Blick unter die Bank, mit dem Ergebnis, dass mich eine Hand an der Kehle packte.
Sal rammte ihm den Absatz eines glänzenden Stöckelschuhs in den Arm, was den Vampir veranlasste, mich sofort loszulassen. Ich sah den Schuh aus nächster Nähe und stellte fest, dass der Absatz aus Metall bestand – aus legiertem Stahl, wie’s aussah – und messerscharf war.
»Du musst auf deine Stärken setzen«, sagte Sal, als ich versuchte, mir nicht zu auffällig die Kehle zu reiben. »Ich bin eine taffe Braut, was alle wissen, und das mache ich mir zunutze. Aber in deinem Fall… « Sie musterte mich erneut. »Als taff gehst du nie durch.«
»Ich kann taff sein«, sagte ich beleidigt.
»Klar.« Sal ließ ihren Kaugummi platzen. »Mit deinen dünnen Ärmchen sollten wir besser auf elegant setzen. Damit passt du zu Mircea.«
»Aber Mircea ist doch gar nicht. .«
»Er hält sich zurück, ja, und genau damit fällt er auf. Es teilt allen mit: ›Ich bin so stark, dass ich vor euch Arschlöchern nicht protzen muss.‹ Aber er sieht immer gut aus, obwohl er keinen mittelalterlichen Scheiß trägt wie manche andere.«
»Ich muss mich um wichtigere Dinge kümmern und habe keine Zeit für. .«
»Es gibt nichts Wichtigeres als dein eigenes Image«, sagte Sal kategorisch. »Du musst beeindruckend sein, wenn du nicht die ganze Zeit kämpfen willst. Wenn du nicht wichtig aussiehst, halten dich alle für einen Schwächling. Dann müssen wir dich um Mirceas willen verteidigen, was vielen Leuten das Leben kosten dürfte. Und nur weil du dich nicht dazu herablassen willst, ein bisschen Make-up aufzutragen.«
Während meiner Zeit am Hof hatte ich versucht, mich einzufügen, in den Hintergrund zu rücken und
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