Für immer untot
zu versuchen, Aufmerksamkeit zu vermeiden.
Nichts in meinen bisherigen Erfahrungen hatte mich gelehrt, Eindruck zu schinden. »Ich halte nichts davon, mich aufzutakeln«, sagte ich lahm.
Sal ergriff meinen Arm. Ihre blutroten Klauen drückten meine Haut ein, ohne sie zu durchdringen. »Das wird sich ändern.« Und der berechnende Blick, den sie dabei auf mich richtete, war das Schrecklichste, was ich in der ganzen Nacht gesehen hatte.
Sechzehn
»Ich kriege keine Luft«, klagte ich. Sal warf mir im Spiegel vor uns einen Blick zu. »Du brauchst keine Luft, sondern gutes Aussehen«, sagte sie und schnürte erbarmungslos mein Korsett zu. Wir waren in der Penthouse-Suite. Eine Flasche Champagner, sechs Hotelpagen und das Kleid, das ich von Augustine geordert hatte, leisteten uns Gesellschaft. Augustine war nicht begeistert gewesen, als wir ihn mitten in der Nacht geweckt hatten, und eine nächtliche Invasion seines Arbeitsraums gefiel ihm ebenso wenig. Er hatte laut erklärt, dass Genieleistungen Zeit brauchten und er noch nicht fertig war, herzlichen Dank. Dann hatte Sal auf der Steile zwei Kleider gekauft und ein Dutzend weitere bestellt, und Augustine hatte den Mund so schnell wie noch nie zuvor geschlossen.
»Du brauchst keine Luft«, sagte ich. »Aber ich fürchte, ich kann nicht auf das Atmen verzichten.«
»Jammerst du immer so viel?«
»Ich glaube nicht, dass man von Jammern reden kann, wenn jemand atmen möchte… «
»Früher bist du nicht so zickig gewesen.« Sal legte eine kurze Pause ein und bewunderte den zotigen Spruch, der sich auf ihre Brust geschrieben hatte. Sie trug einen von Augustine stammenden hautengen Einteiler, der dann und wann neonfarbene Graffiti zeigte. Sal hatte herausgefunden, dass sie die Wortwahl beeinflussen konnte, wenn sie konzentriert dachte, und es machte ihr Spaß, unflätige Sprüche erscheinen zu lassen.
»Allerdings habe ich dich damals kaum gekannt«, fuhr sie fort. »Du bist immer sehr verschwiegen gewesen und hast nur mit deinen imaginären Freunden gesprochen…«
»Es waren Geister!«
». .bist immer im Schatten herumgeschlichen und schon erschrocken, wenn dich nur jemand angesehen hat…«
»Warum wohl?«
«… und daran scheint sich überhaupt nichts geändert zu haben.«
Ich holte tief Luft und wollte ihrem Einteiler ein neues Wort beibringen, doch genau in diesem Moment zog Sal das Korsett noch etwas fester zu, und das presste mir den Atem aus dem Leib.
»Es ist völlig falsch, den Kopf gesenkt zu halten!«, sagte Sal. »Dadurch siehst du verwundbar aus.«
»Wogegen es nichts einzuwenden gibt, denn immerhin bin ich verwundbar…«
»Willst du dich dein ganzes Leben lang verstecken? Fürchte nicht die anderen Leute, sondern zeig ihnen, dass sie dich zu fürchten haben! So wie du dich der Konsulin gegenüber verhalten hast, das war gut. Das hat sie alle veranlasst, ein wenig zurückzuweichen und nachzudenken. In letzter Zeit hattest du mit dem Kreis keine Probleme mehr, oder?«
»Abgesehen von dem hohen Kopfgeld, das er auf mich ausgesetzt hat?«
»Hm. Vielleicht müssen wir unserem Standpunkt etwas mehr Nachdruck verleihen.«
»Wenn er noch deutlicher wird, bin ich tot.« Sal drehte sich nach ihrem Champagnerglas um, und recht obszöne Worte wanderten über ihren Hintern.
Ich schnitt eine finstere Miene, wollte mich aber nicht auf eine verbale Auseinandersetzung mit einem Stück Stoff einlassen. »Ich hatte deshalb kein Problem mit dem Kreis, weil er nicht weiß, wo ich mich aufhalte.«
Sal gab dem letzten der erschöpft wirkenden Pagen ein Trinkgeld. Er hatte gerade einen Koffer abgestellt, der groß genug war, eine Leiche darin zu verstecken. Und wenn man bedachte, wem er gehörte… Vielleicht befand sich tatsächlich eine darin. »Schätzchen, alle wissen, wo du bist!«, sagte Sal, als der Page gegangen war. »Ich meine, ich bitte dich. Warum sind wir hierhergekommen?«
»Um Casanova zusammenzuschlagen?«
»Abgesehen davon.«
»Keine Ahnung. Rafe hat euch gerufen…«
»Und wir springen, sobald er mit den Fingern schnippt, nicht wahr?« Sal rollte mit den Augen. »Alphonse wollte sich beim neuen Boss einschleimen. Und da er nicht da ist, nahm er mit dir vorlieb.«
»Oh, sicher.« Alphonse, der versuchte, sich bei mir einzuschleimen… Das war ebenso wahrscheinlich wie die Erde, die aus einer Laune heraus beschloss, sich in die andere Richtung zu drehen.
»Du kapierst es wirklich nicht, wie?« Sals Verwunderung schien echt zu sein.
»Ein
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