Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition)
heimzuholen“, antwortete ich. Jetzt bekam meine ruhige Fassade Sprünge, meine Stimme wurde ganz dünn. „Und wenn sie hier sind, möchte ich, dass du ihr Angebot annimmst.“
„Was redest du da bloß“, entgegnete er sofort. Ich hatte mit ein paar Schrecksekunden gerechnet, doch Rasmus nahm meine Bitte überhaupt nicht ernst, schob sie einfach mit einem verbalen Achselzucken zur Seite. „Hätte echt nicht gedacht, dass du gleich die Nerven wegschmeißt“, redete er in einem bemüht lockeren Tonfall weiter. „Wobei das eigentlich zu erwarten war – ich weiß noch genau, wie du ausgeflippt bist wegen dieser Zwei in Englisch.“
„Rasmus, das ist etwas ganz …“
„Aber du hast mir doch selbst gesagt, dass wir das alles schon irgendwie hinkriegen werden und es nicht hilft, die Hoffnung aufzugeben. Das stimmt, damit hattest du Recht, und deshalb tue ich das jetzt auch nicht.“
In seiner kurzen Atempause schaffte ich es, einzuwerfen: „Darum geht es überhaupt nicht, du hörst mir nicht richtig zu!“
„Nein, du hörst nicht zu!“, fuhr er mich an. Plötzlich stand er direkt vor mir, sodass ich den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm ins Gesicht zu sehen. Er hatte die Brauen fest zusammengezogen, und seine Augen schienen Blitze zu schleudern. „Ich kann nicht glauben, dass du so etwas sagst! Nicht nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben!“
„Aber das ist es ja gerade“, gab ich heftig zurück, während ich nur eines denken konnte: Bitte, bitte lass mich das hier überstehen. „Ich will nicht, dass du noch mehr durchmachen musst! Wenn du dich von den Richtern heimholen lässt, können wir ihnen auch anvertrauen, was los ist. Dann werden sie den Abaddon hoffentlich erledigen, bevor er noch mehr Schaden anrichtet, und du musst nicht mehr länger leiden! Es ist eine Win-win-Situation, begreifst du das nicht?“
„Win-win-Situation?“, wiederholte Rasmus ungläubig. Es war offensichtlich, dass ich ihm auf einmal wie eine Fremde vorkam.
„Objektiv betrachtet, ja.“
Einige Herzschläge lang sahen wir einander nur an, ein stummes Kräftemessen, das Rasmus mit einem Kopfschütteln beendete. Er streckte wieder die Hand nach mir aus, so wie vorhin, als er das Mehl von meiner Wange gewischt hatte. Diesmal scheute ich allerdings vor seiner Berührung zurück. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, hätte ich ihm ebenso gut eine Ohrfeige verpassen können.
„Das meinst du doch nicht ernst“, sagte er rau. „Ich habe dir Angst eingejagt, das tut mir leid. Aber jetzt komm wieder runter und sei vernünftig.“
„Genau das bin ich doch! Wir haben uns in den vergangenen Wochen nur was vorgemacht. Willst du etwa dasselbe Schicksal erleiden wie Dina? Nach einem kurzen Menschenleben ist sie elend gestorben … und so, wie es jetzt aussieht, werden dir nicht einmal die paar Jahre vergönnt sein, die sie hatte!“
„Wenn sie hier wäre, würde sie dir sagen, dass du absolut nichts verstanden hast“, erwiderte er kaum hörbar. Dann fuhr er lauter fort: „Lily, nachdem du im Steinbruch beinahe in den Tod gestürzt wärst, habe ich vor den Richtern gestanden und eine Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung, die ich verdammt nochmal keine einzige Sekunde lang bereut habe, nicht einmal, wenn du mich dazu genötigt hast, überbewertete Kostümfilme anzusehen! Das hier war meine Wahl, und du hast nicht das Recht, sie mir zu nehmen!“
Ich machte einen Schritt nach hinten, um Abstand zu gewinnen – nicht nur zu ihm, sondern zu der ganzen Situation. Als ob ich innerlich losgelöst wäre von meinem handelnden Selbst, hörte ich mir dabei zu, wie ich sagte: „Deine Wahl wäre es, wenn ich mich nicht für deine Entscheidung verantwortlich fühlen müsste, aber das tue ich nun mal. Du darfst deine Unsterblichkeit nicht einfach wegwerfen, vor allem nicht für ein solches Dasein, und nicht für mich!“
„Natürlich für dich!“, schleuderte mir Rasmus entgegen. „Wenn ich hierbleibe, dann nur für dich, und das ist gut so! Dasselbe würdest du doch auch für mich tun, oder etwa nicht?“
Endlich erlaubte ich mir, den Kopf zu senken. Mit unserem Blickkontakt zerbrach auch alles andere. Ich krallte meine ganze Aufmerksamkeit in das Raster der Fliesenfugen, während ich mein Schweigen auf Rasmus wirken ließ. Irgendwo im Raum teilte ein tickender Sekundenzeiger die Stille in fast greifbare Scheiben. Als ich schon glaubte, es nicht länger ertragen zu können, hörte ich, wie Rasmus
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