Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition)
vollständig abgeklungen war.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ mich ein Hämmern an der Tür zusammenschrecken. Rasmus machte keine Anstalten zu öffnen, und als ich vom Sofa aufstand, sah ich, dass er auf dem Boden saß, den Rücken gegen den Kühlschrank gelehnt. Seine Unterarme ruhten auf den angewinkelten Beinen, und sein Kopf war gesenkt, sodass sein Gesicht im Schatten lag. Selbst als Jinxy und Sam gleichzeitig hereingepoltert kamen, reagierte er nicht. Meine Freundin schaute verwirrt zwischen uns hin und her, aber Sam hatte die Situation sofort erfasst.
„Scheißkerle“, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor, und ich wusste, dass er die Richter meinte.
„Ich glaube, es dauert nicht mehr lange, bis sie hier sind“, sagte ich heiser. „Er weigert sich noch, aber ich dachte, Serafina könnte ihn vielleicht umstimmen.“
Sam nickte nur. Er ließ sich neben Rasmus in den Schneidersitz sinken und sah fragend zu Jinxy, die jedoch an meiner Seite stehenblieb. Ihre Finger verschränkten sich mit meinen.
„Pass auf, dass er nicht abhaut“, kommandierte sie, „und falls es ihm noch schlechter gehen sollte, bring ihn ins Krankenhaus. Ich werde Lily begleiten.“
Ohne mir die Chance auf Widerspruch zu geben, drängte sie mich ins Freie und zog die Tür hinter uns zu. In letzter Sekunde sah ich noch Rasmus‘ schmale Augen, die gerade dann hochblickten, als ich seine Wohnung verließ.
Wir sprachen nicht, bis wir ein Taxi gefunden hatten und ich dem Fahrer Serafinas Adresse nannte. Als der Wagen sich in Bewegung setzte, frage Jinxy leise: „Also habt ihr Schluss gemacht?“
Ich musste mich konzentrieren, um normal weiterzuatmen. „Das spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass die Richter ihren Willen bekommen, damit sie Rasmus nicht länger quälen.“ Ich riss mich vom Anblick der vorbeibrausenden Fahrzeuge los und suchte in Jinxys Gesicht nach Missbilligung, aber es gab keine. Noch nie hatte ich meine überdrehte beste Freundin so ernst gesehen. „Willst du mir jetzt nicht erzählen, wie sehr du es hasst, wenn sich die Personen in Filmen oder Büchern wie Märtyrer benehmen? Wenn sich einer von dem anderen trennt, weil er glaubt, nicht gut genug zu sein?“
„Ihr seid gut füreinander“, sagte sie fest. „Und das weißt du auch. Niemand findet seine Sprüche so lustig wie du, und niemand interessiert sich so sehr für deine Streber-Themen wie er. Aber … wenn du krank wärst und nur dann gesund werden könntest, wenn ich dich nie wiedersehe, würde ich den Abschied für immer in Kauf nehmen.“ Abermals drückte sie meine Hand. „Ich glaube, du tust das Richtige.“
„Danke“, flüsterte ich und drehte den Kopf schnell zum Fenster. Jetzt begann es wehzutun, ein dünner, bohrender Schmerz, der rasch stärker wurde. Ich versuchte mich abzulenken, indem ich die Häuser zählte, an denen wir vorbeikamen: In dieser Gegend waren es meist riesige Betonklötze mit Fenstern ohne Kreuzen, die mich an leere Augenhöhlen erinnerten. Vor genau so einem Gebäude hielt der Fahrer an. Bereits von meinem Platz aus konnte ich das Schild gut erkennen, auf dem die leerstehenden Büros zum Kauf angeboten wurden. Wahrscheinlich stand die ehemalige Hausmeisterwohnung nur so lange zur Vermietung, bis eine Firma das Gebäude übernahm.
„Was für ein bezaubernder Ort“, sagte Jinxy und betrachtete die graue Hausfront. Ich ging nicht auf ihre Bemerkung ein, sondern steuerte direkt auf die Treppe zu, die mit drei Stufen zum Eingang hochführte. Mitten in der gläsernen Tür war ein Loch, von dem sich strahlenförmig Sprünge ausbreiteten. Die Scherben knirschten unter meinen Sohlen, und eine Bierdose rollte scheppernd zur Seite, als ich sie unabsichtlich mit der Schuhspitze anstieß. Im Dämmerlicht erkannte ich noch einige weitere zerdrückte Dosen und Zigarettenkippen. Es sah so aus, als hätten hier ein paar Betrunkene einen Zwischenstopp eingelegt – vielleicht sogar Leute, die früher in diesem Gebäude beschäftigt gewesen waren, bevor sie ihren Job verloren hatten. Ich streckte schon meine Hand nach der Klinke aus, als Jinxy mir von unten zurief:
„Schau mal, ich glaube, zum Apartment geht es da lang!“ Sie deutete auf eine Tür, die sich so versteckt neben der Treppe befand, dass ich sie gar nicht bemerkt hatte. Auch jetzt wäre sie mir eher wie der Zugang zu einem Müll- oder Kellerraum erschienen, aber die Fußmatte mit dem verblassten Willkommen- Schriftzug bekräftigte Jinxys Vermutung.
Weitere Kostenlose Bücher