Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition)
schluckte.
„Nein?“, fragte er. Erstaunen und so etwas Ähnliches wie Trotz sollten wohl verbergen, wie sehr ich ihn getroffen hatte, aber es reichte nicht aus. „Ich dachte, du würdest genauso empfinden.“
Hektisch wanderten meine Augen von einer Fliese zur nächsten, auf der Suche nach einer Unregelmäßigkeit, um sich daran festzuhalten. Schau ihn nicht an. Nicht jetzt. Und dann antwortete ich, jede Silbe betonend: „Das habe ich nie behauptet.“
Langsam atmete ich aus und wartete darauf, dass etwas in mir kaputtging – da musste doch irgendwas sein, vielleicht ein scharfer Schmerz in meinem Inneren –, aber ich fühlte weiterhin nur diese schreckliche, betäubende Leere.
Als Rasmus nicht antwortete, war ich sicher, dass er mir glaubte. Niemals hätte ich gedacht, dass meine Feigheit, ihm meine Gefühle zu gestehen, mir einmal als Beweis dienen würde. Ich hob wieder den Blick und konnte an Rasmus‘ Mienenspiel ablesen, wie er die vergangenen Monate Revue passieren ließ. Alle Situationen, in denen ich hätte sagen können, dass ich ihn liebte, es aber nicht getan hatte. Sein Schock über diese Erkenntnis schien sich immer weiter fortzusetzen, bis ich mich dazu durchrang, seine Gedanken zu unterbrechen.
„Du weißt, wie wichtig du mir bist. Aber das ist nicht genug, um ein derartiges Opfer zu rechtfertigen! Ich will nicht mein Leben lang mit Schuldgefühlen kämpfen, wenn du leidest!“
Inzwischen hatte Rasmus es geschafft, jede Verletzlichkeit aus seinem Gesicht zu verbannen. Er sah nun wieder so verschlossen aus wie damals, als ich ihn kennen gelernt hatte. „Es stimmt, du hast mir nie was vorgemacht“, sagte er ausdruckslos. „Mein Fehler, dass ich etwas anderes angenommen hatte. Aber wenn die Richter hier aufkreuzen, um mich vor die Wahl zu stellen, ist es trotzdem nur mein Wort, das zählt. Und du kannst jetzt sagen, was du willst – ich werde mich nicht zurückholen lassen.“
„Doch, das wirst du. Wenn ich dich nicht davon überzeugen kann, muss es eben jemand anderer tun.“ Ich hielt ihm die offene Hand hin. „Gib mir Serafinas Adresse.“
Entgegen meiner Erwartung folgte kein Protest. Rasmus sah mich nur groß an. „Lily“, sagte er schließlich, mehr nicht. Es lag alles in dem einen Wort.
„Na schön, dann lass es. Ich kann mir sowieso denken, wo sie jetzt ist.“ Ruckartig drehte ich mich um und ging zu der Zeitung, die ich beim Hereinkommen auf dem Couchtisch liegen gesehen hatte. Sie war schon mehrere Tage alt – das Titelbild hatte sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt. Hastig blätterte ich die Seiten um, bis ich zu den Inseraten kam. Der Text über die Hausmeisterwohnung sprang mir gleich ins Auge. Ich riss das Stück heraus, schob es zusammengefaltet in meine Tasche und griff dann gleich nach meinem Handy. So lange ich in Bewegung blieb, konnte ich mir vorgaukeln, nicht zu wissen, dass Rasmus nur wenige Schritte von mir entfernt stand und mich stumm beobachtete.
„Jinxy, ich bin‘s“, sagte ich abgehackt, nachdem sie sich am anderen Ende der Leitung gemeldet hatte. So wie meine Stimme klang, wunderte es mich nicht, dass sie alarmiert fragte:
„Was ist los? Ist dir etwas passiert?“
„Ich brauche dich in Rasmus‘ Apartment. Es geht ihm sehr schlecht, und jemand muss auf ihn aufpassen, während ich … was erledige. Ich werde auch Sam fragen, aber es ist besser, ihr seid zu zweit …“
„Okay, ganz ruhig. Ich mache mich gleich auf den Weg, und Sam bringe ich mit.“ In diesem Augenblick liebte ich sie dafür, dass sie keine Fragen stellte und sich völlig sachlich gab, um meine Panik nicht zu verstärken.
„Danke, ich schicke dir Sams neue Nummer per …“
„Die hab ich schon“, fiel sie mir ins Wort. „Du musst dich um nichts weiter kümmern, wir sind gleich da.“
Dann wurde die Verbindung unterbrochen, und ich war wieder mit Rasmus allein. Das Zimmer wirkte auf einmal seltsam überfüllt, obwohl ich noch nie zuvor so einsam gewesen war. Mit unsicheren Schritten ging ich zum Sofa, kauerte mich in die Ecke zwischen Rücken- und Armlehne und drückte die Stirn gegen meine Knie. Rasmus, der normalerweise zu mir gekommen wäre, um mich in den Arm zu nehmen, rührte sich nicht von der Stelle. Ich betete, dass Jinxy und Sam bald auftauchten und dieses untätige Warten beendeten: Nun begann sich meine innerliche Taubheit zu verflüchtigen, wie die Narkose nach einer Operation, und ich hatte schreckliche Angst vor dem Moment, in dem sie
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