Für jede Lösung ein Problem
bei Charly anzurufen und ihr glaubhaft zu versichern, dass ich ganz begeistert von ihrer Schwangerschaft war und sehr geehrt von der Vorstellung, die Patenschaft zu übernehmen.Auch wenn das vielleicht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zutraf, so war ich doch fest entschlossen, an meiner Haltung zu arbeiten. Spätestens, wenn das Kind geboren wurde, würde ich wieder ein ausgeglichener und zufriedener Mensch sein. Charly war auch kein bisschen sauer, dass ich sie nicht sofort zurückgerufen hatte, nachdem ich die Milch vom Herd genommen hatte, im Gegenteil, sie entschuldigte sich sogar bei mir.
»Sicher hast du es den ganzen Nachmittag lang versucht«, sagte sie. »Aber ich habe in der Republik herumtelefoniert, um die große Neuigkeit zu verbreiten. Tut mir leid.«
»Schon gut«, sagte ich.
»Ich bin total aus dem Häuschen«, sagte Charly.
»Ich auch«, sagte ich.
»Ich könnte die ganze Welt umarmen, verdammte Scheiße«, sagte Charly.
Daran arbeitete ich wie gesagt noch.
»Ich habe jetzt sogar Brüste!«, sagte Charly. »Kannst du dir das vorstellen? Richtige Möpse! Du musst die mal anfassen, die fühlen sich irre an.«
»Äh, ja, das glaube ich dir auch so. «
»Ich freue mich schon wie Bolle auf das Klassentreffen. Britt Emke wird nicht die Einzige sein, die mit ihrem Stammhalter prahlt, die blöde Kuh. Kaum zu glauben, dass ihr platter Hintern jetzt adelig ist. Ich habe diesen Ferdinand von Falkenhain mal gegoogelt, und weißt du was? Der ist fünfundfünfzig Jahre alt! Britt Emke in den Fußstapfen von Anna Nicole Smith, wer hätte das gedacht?«
»Ich dachte, da wollten wir nicht hingehen«, sagte ich.
»Jetzt schon«, sagte Charly. »Jetzt habe ich einen Stammhalter im Bauch und echte Möpse im BH. Komm schon, das wird lustig. Sicher kommen auch ein paar Lehrer. Wir besaufen uns und pöbeln rum.«
»Charly, du bist schwanger, du kannst dich nicht besaufen.«
»Oh, stimmt ja«, sagte Charly. »Egal, es wird trotzdem lustig. Stell dir vor, du darfst diesem Arsch Rothe sagen, dass er ein Arsch ist,und er kann dir gar nichts, weil du dein Abitur längst in der Tasche hast.«
»Erstens kann ich gar nicht so viel trinken, dass ich mich das traue, zweitens kann er mir zwar keine schlechte Note mehr geben, mich aber wegen Beleidigung verklagen, und drittens …«
»Ach, Gerri, jetzt sei doch nicht immer so negativ! Wir gehen da hin und mischen den Laden so richtig auf. Du besäufst dich, und ich pöbele rum und zeige allen meine Möpse, das wird super!«
»Ja, bestimmt«, sagte ich und fasste mir unwillkürlich an den eigenen Busen. Klein wie eh und je, dafür war der Hintern gewachsen. Egal! Kein Grund für Depressionen! Ich hatte ja schließlich immer noch meinen Job, und da spielte die Größe meines Busens nun wirklich keine Rolle.
***
Am nächsten Morgen machte ich mich pünktlich auf den Weg zum Aurora-Verlag. Das Eingangsportal war riesig und mit beeindruckend viel Marmor gestaltet, was davon zeugte, wie einträglich das Geschäft mit den Heftromanen war. Ich straffte automatisch die Schultern, weil mir klar wurde, dass meine Romane auch etwas zu diesem Reichtum beigetragen hatten. Vielleicht die hübsche Einlegearbeit an der Säule dort vorne. Oder der polierte Tresen, hinter dem eine streng blickende Dame saß und mich über die Gläser ihrer Brille hinweg musterte. Ja, genau genommen war das mein Tresen.
»Gerri Thaler«, sagte ich aufgeräumt zu der Empfangsdame. »Ich habe einen Termin mit Frau Lakritze.«
Die Frau kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Mit Frau Krietze?«, fragte sie.
»Genau«, sagte ich und legte eine Hand auf meinen Tresen. Fühlte sich gut an.
Während die Empfangsdame Lakritze per Telefon von meinem Kommen unterrichtete und mich höflich bat zu warten, bis manmich abholte, suchte ich in den Glasvitrinen ringsherum vergeblich nach einem meiner Norina-Romane. Überall nur »Geisterjäger Gary Peyton« und »Maggie, die Dämonenbraut« , außerdem massenhaft Western mit hässlichen Cowboys und Kakteen auf dem Cover.
Wer las denn so was? Wahrscheinlich dieselben Leute, die sich die verstaubten Western in »Das Vierte« anguckten.
Eine ältere Frau mit gestreifter Bluse, dunklem Kurzhaarschnitt und Brille kam aus dem Aufzug, und ich wusste sofort, dass es sich um Lakritze handelte. Genau so hatte ich sie mir immer vorgestellt. Sie hingegen warf mir nur einen kurzen Blick zu und ließ ihre Augen durch das ansonsten menschenleere Foyer schweifen.
»Ist Frau
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