Für jede Lösung ein Problem
Mieses, vollkommen Sinnentleertes könnte ich beim besten Willen nicht schreiben. Ich glaube auch nicht, dass Sie dafür Käufer finden werden. Selbst Menschen mit einem Faible für Zackenschwert-Kämpfe möchten doch etwas über echte Gefühle und wahre Liebe lesen, oder nicht? Und eine Heldin mit Superkräften ist nur dann interessant, wenn sie auch irgendeine Schwäche (außer ihren kulinarischen Angewohnheiten) aufzuweisen hat. Wo bleibt denn sonst die Spannung?
Ich hätte noch jede Menge Anmerkungen dazu, aber ich habe ein straffes Programm für diese Woche: Die anderen Abschiedsbriefe müssen schließlich noch geschrieben werden, und zum Friseur wollte ich auch noch.
Daher etwas in Eile, aber nicht weniger herzlich
Ihre Gerri Thaler
P. S. Ich habe gerade mal den berühmten Bleistifttest gemacht, Sie wissen schon, je mehr Bleistifte unter dem Busen hängen bleiben, desto eher muss man anfangen für Silikon zu sparen. Es wird Ihnen wahrscheinlich völlig egal sein, aber bei mir war nicht mal Platz für einen einzigen hauchdünnen Bleistift.
P. P. S. Beiliegend erhalten Sie als Abschiedsgeschenk »Leas Weg in die Dunkelwelt« , das ich aus Zeitgründen leider nicht mehr überarbeiten konnte. Roninas sterbliche Schwester Lea erkrankt darin an Leukämie, das ist jedenfalls die Diagnose der Ärzte. Aber Ronina erkennt, dass Lea von einem Abtrünnigengebissen und ihr Blut mit einem heimtückischen Gift verunreinigt wurde. Nur Leas Blut- und Seelenbruder in der Anderwelt kann ihr Leben nun noch retten. Der mächtige, aber verbitterte Vampir Gregor … – Ach, lesen Sie selber. Das ist jedenfalls erotisch!
F ünf
Als ich nach Hause kam, war der Aufgang zu meiner Wohnung von einem Bobbycar blockiert.
»Ge-ah-ri-hi? Weißt du wa-has? Ich habe einen neuen Aufkleber.«
»Du, ich habe leider überhaupt keine Zeit, Johannes Paul«, sagte ich. Warum leierte dieses Kind nur immer so schrecklich?
»Guck doch ma-hal«, sagte Johannes Paul und machte eine Bobbycar-Kehrtwende um hundertachtzig Grad.
Ich bin in der Jesus-Gang , stand dort.
»Wirklich toll, Johannes Paul«, sagte ich. »Aber jetzt musst du mich mal vorbeilassen. Ich muss mich nämlich mal ganz dringend umbringen.«
»Die Theresa hat a-auch einen neuen Aufkleber.« Johannes Pahaul drehte das Bobbycar wieder mit der Front zu mir. »Willst du den auch mal lesen?«
»Das gucke ich mir dann von oben an«, sagte ich. »Lässt du mich bitte mal vorbei?«
»Die Mama hat auch einen neuen Aufkleber auf ihrem Auto«, sagte Johannes Paul. »Weißt du, was da drauf ste-heht?«
»Leiernde Kinder an Bord?«, fragte ich.
»Na-hein«, sagte Johannes Paul. »Da steht drauf: Jesus fährt mit.«
»Aha«, sagte ich. Das passte doch gut zu Hillas anderem Aufkleber, auf dem stand: »Überlasse Jesus die Macht in deinem Leben« . Hilla hatte ein Faible für derartige Aufkleber. An ihrem Briefkasten klebte statt »bitte keine Werbung« »Die Ehe ist ein Geschenk von Gott« . Ich hatte mich bisher noch nicht getraut zu fragen, warum er dort hing, aber ich vermutete, er war für den Briefträger gedacht, damit er nicht auf die Idee kam, sich scheiden zu lassen. Am Anfang dachte ich wegen der vielen Aufkleber, Hilla gehöre zu den Zeugen Jehovas. Aber siewar einfach nur katholisch, wenn auch auf eine sehr begeisterte Art und Weise.
Johannes Paul war der Sohn meines Cousins Volker, der mit Hilla verheiratet war. Vermutlich war Johannes Paul damit auch mein Cousin oder ein Neffe zweiten Grades oder ein Cousinneffe – auf jeden Fall war er um ein paar Ecken mit mir verwandt, wie halb Köln rechtsrheinisch. Ich wohnte zur Miete bei meiner Tante Evelyn und meinem Onkel Korbmacher (er hatte auch einen Vornamen, doch den hatten wir alle im Laufe der Jahre vergessen), nur einen Stadtteil weiter als meine Eltern. Hier gab es überwiegend Einfamilien- und kleinere Mehrfamilienhäuser sowie viele, viele Garagen. Es gab darüber keine Statistiken, aber ich war sicher, dass nirgendwo die Autos öfter gewaschen wurden als hier. Außer der fünfundachtzigjährigen Frau schräg gegenüber war ich vermutlich auch der einzige Single über zwanzig in dieser Siedlung.
Eigentlich hatte ich schon seit Jahren vor, auf die andere Rheinseite zu ziehen, irgendwohin, wo es weniger Verwandte, weniger Garagen und dafür mehr Kinos, Läden und Restaurants gab. Aber die Mieten anderswo waren horrend, während ich hier ohne Zweifel sehr günstig wohnte. Ich musste dafür allerdings einmal in der Woche
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