Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für jede Lösung ein Problem

Für jede Lösung ein Problem

Titel: Für jede Lösung ein Problem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
überreichte. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Wenn ich noch irgendwelche Zweifel an der Richtigkeit meiner Pläne gehabt hätte, dann wären sie hiermit restlos verflogen gewesen: Es war ganz klar eine Fügung des Schicksals, dass ich meinem Leben ein Ende bereitete. Warum sonst hätte es mir so bereitwillig einen Berg Schlaftabletten zukommen lassen?
    Jetzt, da ich die Lösung all meiner Probleme in der Hand hielt, konnte ich mein »Rendezvous mit Joe« – das klang doch viel netter als »Selbstmord« – in aller Ruhe planen. Ich kaufte mir sogar ein neues Kleid für mein Rendezvous mit Joe.
    Ich sagte ja schon, dass ich eigentlich eher sparsamer Natur war, aber da ich ja nun wusste, dass ich es nicht mehr brauchen würde, konnte ich mein Geld endlich mal ohne Gewissensbisse verprassen. Es war schon wichtig, dass ich gut aussah, wenn man mich fand. Und dieses Kleid war der helle Wahnsinn: Es war eng anliegend, ohne wurstig zu wirken, tief ausgeschnitten, ohne ordinär zu sein, und feuerrot – eine Farbe, die mir ausnehmend gut stand.
    »Zum Sterben schön«, sagte auch die Verkäuferin, und sie wusste ja gar nicht, wie Recht sie hatte.
    Dummerweise hatte ich keine dazu passenden Schuhe, und zuerst erwog ich auf einen Kauf derselben zu verzichten, da ich ja liegen würde, wenn man mich fand, aber dann sah ich diese herrlichen rotenSandalen mit dem Strassschmetterling, und obwohl sie viel zu teuer waren und ich auf den schmalen hohen Absätzen kaum laufen konnte, kaufte ich sie. Laufen würde ich ja darin gar nicht müssen. Und sie machten wunderbar schmale Fesseln, das würde sich auch im Liegen gut machen.
    Außerdem kaufte ich zwei Flaschen sehr teuren Wodkas. Eine Flasche zum Üben und eine für den Ernstfall. Die Kunst würde nämlich vor allem darin bestehen, die Schlaftabletten und den Alkohol im Magen zu behalten, ohne sich übergeben zu müssen. Das erforderte eine gewisse Abhärtung. Ich suchte alle alkoholischen Getränke in meiner Wohnung zusammen und beschloss, sie während der Woche nach und nach zu trinken. Das würde meine Stimmung ein wenig heben und war Abfallbeseitigung und Training in einem.
    Für mein Rendezvous mit Joe hatte ich mir den kommenden Freitag ausgesucht. Die eigene Wohnung war kein guter Platz, um sich umzubringen. Ich musste schließlich auch ein bisschen Rücksicht auf Hilla und die Kinder nehmen. Daher buchte ich ein Doppelzimmer im »Regency Palace« mit Blick auf den Rhein, für schlappe 320 Euro die Nacht. Mit Frühstück, aber das würde ich ja nicht mehr brauchen. Und die Rechnung musste ich – und das war das Gute daran – auch nicht mehr bezahlen.
    Bis dahin gab es aber noch viel zu tun.
    Gleich Sonntagabend fing ich mit dem Training und zwei Flaschen Rotwein an, die ich von Onkel Korbmacher zum dreißigsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Ich wanderte mit dem Rotweinglas in der einen und einem Müllbeutel in der anderen Hand durch meine Wohnung und versuchte, sie mit den Augen meiner Hinterbliebenen zu sehen. Als Erstes warf ich den Vibrator weg, den Charly mir geschenkt hatte. Nicht auszudenken, wenn meine Mutter den fand. Oder meine Tante. Es war ein gruseliges Ding, das seinem menschlichen Vorbild so überhaupt nicht ähnlich sah, es sei denn, es gab Männer mit zwei neonfarbenen Schwänzen. Wozu der zweite gut war, hatte ich noch nicht herausgefunden, wenn ich ehrlich bin, lag das Gerät immer noch unberührt in der Originalverpackung. Ganz kurz meldetesich mein schlechtes Gewissen, als ich es in die Mülltüte stopfte. Charly hatte gesagt, das Ding sei sehr teuer gewesen, eins der besten auf dem Markt, mit limitierter Auflage, aber jetzt war es wohl zu spät, um es bei eBay zu versteigern. Ich warf den Beutel nicht in die Hausmülltonne – vielleicht würden sie die durchsuchen –, sondern entsorgte ihn in einem Papierkorb an der Straßenbahnhaltestelle. Vielleicht fand ja ein Obdachloser das Ding und freute sich darüber.
    Im Flur stolperte ich bei meiner Rückkehr über die Jutetasche, die Lakritze mir mitgegeben hatte, obenauf lag »Ronina – Jägerin in der Dunkelheit«, das Pilotheft, das Adrian angeblich verfasst hatte. Ich wollte es auf den Altpapierstapel werfen, doch dann siegte die Neugier, und ich begann zu lesen. Ronina, die frischgebackene Vampir-Lady, musste darin eine Menschenfrau namens Kimberley vor dem Gebiss eines abtrünnigen Vampirs beschützen.
    Das war so unspannend, dass ich, um am Ball zu bleiben, eine ganze Flasche Rotwein

Weitere Kostenlose Bücher