Für jede Lösung ein Problem
Bewegung einen Stapel Papiere von der Kommode, die über das Parkett schossen. »Oh, stimmt ja, deine Tante Evelyn hat deine Post vorbeigebracht, und deine Schwester hat auch noch angerufen.«
»Welche?« Ich sah den Stapel Briefe durch, die Tante Evelyn gebracht hatte. Mist! Die Kreditkartenabrechnung! Und ein Brief von Dietmar Mergenheimer alias Max, 29, Nichtraucher und für jeden Spaß zu haben.
»Es war Lulu«, sagte Charly. »Hochnäsig wie immer. Du sollst zurückrufen.«
»Ha«, sagte ich. »Jetzt hat sie Patrick doch entlarvt!«
Aber so war es nicht.
»Mama sagt, du willst nicht zurück in deine alte Wohnung, stimmt das?«, fragte Lulu.
»Äh, ja«, sagte ich. »Ich werde mich nach etwas anderem umgucken.«
»Also könntest du quasi sofort umziehen, nicht wahr?«
»Ja«, sagte ich. »Ich denke nicht, dass Tante Evelyn irgendwelche Schwierigkeiten machen wird. Warum?«
»Weil ich eine Wohnung für dich habe«, sagte Lulu. »Patricks Wohnung nämlich. Wenn du seinen Mietvertrag übernimmst und wenn die Vermieterin zustimmt, natürlich!«
»Wo zieht Patrick denn hin?«, fragte ich begriffsstutzig.
»Na, zu mir«, sagte Lulu. »Meine Wohnung ist größer und liegt näher an meiner Schule und an Patricks Firma. Er ist sowieso fast die ganze Zeit bei mir, und es ist wirklich albern, doppelte Mieten zu bezahlen. Das Geld können wir für was Besseres ausgeben.«
»Also, Lulu, ich würde mir das echt gut überlegen …«
»Willst du die Wohnung haben oder nicht?«, fragte Lulu barsch.»Sie ist ganz hübsch, nichts Spektakuläres, aber in der Südstadt, zwei Zimmer, Küche, Diele, Bad, Balkon. 2. Stock. Unten im Haus ist ein Käseladen, in der Wohnung darüber wohnt die Vermieterin mit ihrer Lebensgefährtin und im dritten Stock ein junges Studentenpärchen. Miete ist okay, der Zustand einwandfrei, und der Innenhof ist schön begrünt und kann von allen Parteien genutzt werden.«
»Hört sich gut an«, sagte ich. »Aber …«
»Patrick hat drei Monate Kündigungsfrist, aber wenn die Vermieterin einverstanden ist, gibt es einen Aufhebungsvertrag, und du könntest zum 1. Juni einziehen.«
»Tja, dann«, sagte ich. »Wann kann ich mir die Wohnung angucken?«
»Morgen Nachmittag nach Schulschluss«, sagte Lulu. »Ich hol dich bei Charly ab, um drei. Und, Gerri? Bitte benimm dich Patrick gegenüber anständig!«
»Lulu, du klingst schon ganz wie Mama«, sagte ich.
»Ich bin eben erwachsen«, sagte Lulu. »Und das könntest du allmählich auch mal werden.«
»Eins nach dem anderen«, sagte ich. Bei mir lief es eigentlich gerade mal ganz gut. Die Jobsache war vielversprechend, mein Zahn tat nicht mehr weh, und wenn ich jetzt noch eine Wohnung bekam, konnte ich mich eigentlich nicht mehr beklagen. Wer hätte das gedacht?
»Die Wohnung von dem Perversen? Da kannst du doch drauf scheißen!«, rief Charly, als ich ihr davon erzählte.
Ich zuckte die Schultern. »Wenn sie hübsch und einigermaßen erschwinglich ist, nehme ich sie«, sagte ich. »Ich könnte einen Feng-Shui-Experten durch die Wohnung laufen lassen, der das Perverse wegräuchert oder so.«
»Aber dann musst du diesem Schwein ewig dankbar sein«, sagte Charly. »Und überhaupt – warum alles überstürzen? Du hättest nur noch zweieinhalb Wochen, um einen Umzug zu organisieren. Was spricht dagegen, einfach noch ein wenig hier wohnen zu bleiben?«
»Eine ganze Menge, liebe Charly«, sagte ich. »Außerdem mussnicht ich Patrick dankbar sein, sondern er mir, denn sonst würde er mühsam nach einem Nachmieter suchen und außerdem noch drei Monatsmieten zahlen müssen.«
»Wir haben aber doch so viel Spaß! Und wenn du wieder allein wohnst, kommst du vielleicht auch wieder auf dumme Gedanken. Hier kann ich auf dich aufpassen …« Charly hatte Tränen in den Augen. Das war typisch für sie in letzter Zeit: In der einen Minute tanzend und lachend, in der nächsten plötzlich das heulende Elend. Aber das waren nur die Schwangerschaftshormone, kein Grund zur Sorge. »Hoffentlich ist es so ein hässliches Dreckloch. Wo die anderen Mieter die ganze Zeit Xavier Naidoo hören und einen Beo haben, der ein landendes Flugzeug imitieren kann. In Originallautstärke.«
»Nein, bestimmt nicht! Charly, ich glaube nämlich, ich habe gerade eine Glückssträhne«, sagte ich. »Übrigens: Ole liebt mich.«
Charly ließ sich sofort ablenken. »Natürlich tut er das. Wir alle lieben dich. Wir brauchen dich. Unser Leben wäre ohne dich traurig, öde und leer.
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