Für Leichen zahlt man bar
— wie nennt man
das? Eine Sicherung oder so.«
»Denkst du !«
»Du meinst doch nicht etwa —«
Sie betrachtete die Magnum einen Augenblick entsetzt, nahm den Lauf in die
Linke und zog ihre rechte Hand mit zitternden Fingern aus dem Griff. Dann hielt
sie die Waffe weit von sich weg, wie einen toten Fisch, und ging damit zu dem Nußbaumsekretär . Aber ich sah an ihrer Hinterfront, daß sie
sich schnell von ihrem Schreck erholt hatte. Als sie am Sekretär angekommen
war, schwangen ihre Hüften schon wieder ganz vergnügt. Sie legte die Magnum
sorgfältig neben das Telefon und wandte sich dann wieder zu mir um. Sie wirkte
unbekümmert, als hätte sie nur eben ihrem Jüngsten die Knallplättchenpistole weggenommen.
»Und was hast du jetzt mit mir
vor ?« fragte ich neugierig.
»Du brauchst das Schießeisen
vorläufig nicht mehr, Danny !« sagte sie mit
dunkelschwingender, siegessicherer Stimme.
»Weshalb nicht?«
Sie hob die Arme über den Kopf und
streckte sich mit einer aufreizenden, sehr weiblichen Bewegung. »Ich glaube,
dich muß man herumkommandieren, wie Madame Choy es
mit mir macht 1« sagte sie träge.
Das leise Brummen des Türsummers
wirkte in der Stille wie ein Donnerschlag. Judith zuckte heftig zusammen und
war mit in einem Sprung aus dem Bett.
»Heiliges Kanonenrohr!« Sie sah
verzweifelt auf mich nieder. »Das kann nur Madame Choy sein, der plötzlich noch weitere wichtige Anweisungen für morgen früh
eingefallen sind .«
Sie kramte aufgeregt im
Kleiderschrank und zog endlich einen schwarzseidenen Morgenrock hervor, den sie
sich überwarf. Der Summer ertönte ungeduldig zum zweitenmal .
Mit zitternden Fingern band sie den Gürtel fest um ihre Taille.
»Zieh dir lieber etwas an,
Danny«, sagte sie mit bebender Stimme. »Ich werde versuchen, sie im Wohnzimmer
abzufertigen, aber sie ist eine sehr eigensinnige Frau, weißt du! Es könnte
passieren, daß sie plötzlich sehen will, ob mein Schlafzimmer aufgeräumt ist
nach dem Motto: Wer im Privatleben Ordnung hält, ist auch im Beruf ordentlich.
Ordnung ist ein Zeichen von Zuverlässigkeit, und das ist die erste
Bürgerpflicht für Madame Choys Mitarbeiter .«
»Quatsch«, sagte ich unhöflich.
»Am liebsten möchte ich selber die Tür aufmachen und die Alte gleich erwürgen !«
»Bitte, sei vernünftig, Danny !« Sie sah mich flehend an, stolperte aus dem Zimmer und
schloß die Tür fest hinter sich.
Ich reckte mich, bis ich mein
Glas zu fassen bekam, und stellte fest, daß die Eiswürfel geschmolzen waren.
Aber was machte das schon. Verdampft konnte der Whisky schließlich noch nicht seinl
Nachdem ich das lauwarme Gesöff
heruntergewürgt hatte, stand ich auf und griff nach meinen Kleidern. Selbst
wenn ich es gewollt hätte, wäre es mir jetzt einfach unmöglich gewesen, mich zu
beeilen, deshalb versuchte ich es gar nicht. Schon der Gedanke daran machte
mich ganz schwach. Als ich vollständig angezogen war, hatte sich Madame Choy noch immer nicht bei mir sehen lassen. Das mußte
gefeiert werden! Ich trank also auch noch Judiths halbwarmen Whisky aus. Wenn
im Wohnzimmer ein Gespräch geführt wurde, so mußte das entweder im Flüsterton
geschehen, oder die Tür war schalldicht gepolstert. Selbst als ich mein Ohr
gegen die Türfüllung legte, konnte ich keinen Ton vernehmen.
Nachdem ich eine Weile
trübsinnig auf der Bettkante gehockt und meine zweite Zigarette geraucht hatte,
fand ich, daß Madame Choy genügend Zeit gehabt hatte,
Judith nicht nur für morgen, sondern für die nächsten zehn Tage mit
ausführlichen Anweisungen zu versorgen, und ich hatte nicht übel Lust, ihr doch
noch den Hals umzudrehen, wenn sie nicht bald ging.
In diesem Augenblick steckte
Judith den Kopf durch die Tür. »Könntest du einen Augenblick ins Wohnzimmer
kommen, Danny ?« Sie lächelte mir beruhigend zu und
blinzelte gleichzeitig mit Verschwörermiene . »Wir
haben einen Besucher, der gern mit dir sprechen möchte !«
»Meinetwegen!« Ich rappelte
mich mühsam auf.
Nach dem sanften gelben Licht
des Schlafzimmers erschien mir die Lampe im Wohnzimmer sehr grell, so daß ich
einen Augenblick geblendet die Augen schloß. Als ich sie vorsichtig wieder
öffnete, mußte ich ein paarmal blinzeln, doch dann nahmen die beiden
verschwommenen Gestalten vor mir wieder feste Formen an.
Judiths Unterlippe zuckte
verächtlich, und in ihren grauen Augen, die mich unverwandt beobachteten,
glitzerte boshafte Freude. Neben ihr stand ein dürrer Kerl, etwa 40 Jahre
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