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Für Leichen zahlt man bar

Für Leichen zahlt man bar

Titel: Für Leichen zahlt man bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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möglich zu Werke gegangen. Judith
brachte die Ordner nacheinander hinüber zu dem alten Schreibtisch, wo ich sie
durchsah, und stellte sie dann wieder in die Regale zurück. So brauchten wir
nur die Schreibtischlampe für unsere Arbeit, die einen hellen Lichtkegel auf
die Schreibtischplatte warf. Was nützt schon unser Tatendrang, dachte ich
ärgerlich, wenn wir dabei nichts als schmutzige Finger bekommen? Ich sah zu
Judith auf, die geduldig am Schreibtisch wartete. Ihr Gesicht war im Schatten,
so daß ich ihr nicht ansehen konnte, was sie dachte.
    »Die Dinger müssen doch hier
irgendwo sein! Es ist zum Verrücktwerden«, flüsterte ich. »Wie steht’s mit
Madame Choys Arbeitszimmer ?«
    »Fehlanzeige !« erklärte sie mit Bestimmtheit. »Ich kenne das Zimmer mit allen seinen Schränken
und Schüben wie meine eigene Handtasche. Wenn überhaupt Akten existieren,
Danny, dann können sie nur hier sein .«
    »Wir haben gerade die
Korrespondenz des letzten Halbjahrs über die Geschäfte mit Antiquitäten und
Jade durchgesehen«, knurrte ich. »Es scheint sich nicht um fingierte Briefe zu
handeln, aber mit dem Reingewinn könnte man nicht einmal eine Etage dieses
feudalen Geschäftshauses mieten .«
    »Was soll ich dazu sagen? Ich
bin ja nur dein Befehlsempfänger !«
    »Da wir nun schon einmal hier
sind, können wir meinetwegen noch etwas weitersuchen«, murrte ich.
    Plötzlich flammte eine der
Neonleuchten hinten im Lagerraum auf, und Judith zuckte zusammen wie von einer
Schlange gebissen. Sekunden später ging in der gegenüberliegenden Ecke die
Deckenbeleuchtung an. Judith fing an zu zittern. Ich packte ihr Handgelenk,
stand vom Schreibtisch auf und zog sie dicht an mich heran. Inzwischen
leuchteten in Zweisekundenabständen alle Lampen auf, bis die ganze Etage von
blendendem Licht überflutet war.
    »Jetzt brauchen wir wenigstens
keine Angst mehr zu haben, daß uns jemand erwischt«, sagte ich tröstend. »Das
Schlimmste ist schon geschehen .«
    »Und was machst du jetzt ?« zischte Judith.
    »Abwarten und Tee trinken !«
    »Du willst überhaupt nichts tun ?«
    »Erraten. Wie ich unsere
Freunde kenne, haben sie sich ihren Schlachtplan schon fein säuberlich
zurechtgelegt .«
    Vorsichtig langte ich in die
Jackentasche. Noch vorsichtiger holte ich eine Packung Zigaretten daraus
hervor. Noch während ich das Streichholz anriß ,
tauchte in dem schmalen Gang zwischen den Aktenschränken ein Mann mit ausdruckslos-glattem Asiatengesicht auf. Ich warf einen raschen Blick über
die Schulter. Von hinten kam ein zweiter Chinese langsam auf uns zu. Beide
Männer hielten ihre Revolver schußbereit in der Hand,
und man sah ihnen an, daß sie keinerlei Hemmungen haben würden, sofort
abzudrücken.
    »Das Fußvolk ist schon da«,
sagte ich zu Judith. »Fehlt nur noch der Oberbefehlshaber !«
    Wie aufs Stichwort kam Lucas
Blair in Sicht. Er näherte sich mit unsicher schlurfenden Schritten. Um den
Kopf trug er einen dicken weißen Verband, aus dem nur rechts und links die
spitzen Fledermausflügel-Ohren hervorsahen. In diesem Aufzug kam er mir vor wie
ein häßlicher Zwerg aus dem Märchenbuch.
    Seine Haut war grau mit einer
ins Bläuliche spielenden Schattierung, wodurch er womöglich noch geisterhafter
wirkte. Seine blaßblauen Fischaugen waren
verschleiert. Ich dachte an seinen schlurfenden Gang und fragte mich, inwieweit
wohl die Kopfverletzung seinen Denkapparat lahmgelegt hatte. Ohne ein Wort an
uns zu verschwenden, scheuchte er uns mit einer herrischen Bewegung seines
Schießeisens vom Schreibtisch fort. Dann kam er näher, schlug mein Jackett
zurück und zog die Magnum aus dem Schulterhalfter.
    »Daß Sie sich überhaupt noch
die Mühe machen, eine Pistole einzustecken, wundert mich, Boyd«, flüsterte er
höhnisch. »Sie werden die Dinger ja doch immer schnell genug wieder los .«
    Judith drückte heftig meine
Hand. Über die Schulter von Lucas Blair hinweg beobachtete ich den Einzug Ihrer
Kaiserlichen Hoheit. Madame Choy rauschte an uns
vorüber, ohne uns eines Blickes zu würdigen, während ihr kleiner spitzgesichtiger Begleiter aufgeregt vorantrippelte ,
um als erster den Schreibtisch zu erreichen und ihr den Stuhl zurechtzurücken.
Sie setzte sich ohne ein Wort des Dankes, und Tremaine trat gehorsam zwei Schritte zurück, jeder Zoll der Prinzgemahl, der Ihrer
Hoheit Befehle harrt.
    Nachdenklich drehte Madame Choy den herrlichen Ring mit dem Jadestein, der zu weit für
ihren Zeigefinger war, hin und her. Dann hefteten

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