Für Leichen zahlt man bar
Ihrer Agenten,
arbeitete nicht auf dem Festland, sondern in Hawaii.
Ich fragte mich, wie viele
Mitarbeiter Sie im pazifischen Raum haben mochten, die es alle als ihre
Hauptaufgabe ansahen, die Vereinigten Staaten — den größten illegalen Abnehmer
— mit Heroin zu versorgen. Auf der anderen Seite des Pazifiks befindet sich der
Welt bedeutendster legaler Heroin-Produzent: Rotchina .
Von dort aus wird kaltblütig gegen Bargeldzahlung Heroin exportiert, und die
hundertfünfzigprozentigen Genossen geben ganz offen zu, daß eine Zunahme der
Rauschgiftsucht in einem kapitalistischen Lande nur den Tag der sozialistischen
Revolution schneller herbeiführt .«
Noch immer ließ die Frau den Jadering um ihren Finger kreisen, aber ihre Haltung verriet
angespannteste Konzentration.
»Es liegt auf der Hand, daß es
für Rotchina ein großer Vorteil wäre, auf dem
illegalen Heroin-Markt der Vereinigten Staaten festen Fuß zu fassen«, fuhr ich
fort. »Die Genossen waren entschlossen, dieses Ziel zu erreichen, selbst wenn
das Jahre dauern sollte. Um die Organisation aufzubauen, brauchten sie eine
geeignete Vertrauensperson. Diese Vertrauensperson mußte fundierte Kenntnisse
auf einem besonderen Wissensgebiet besitzen, denn eine überzeugende Fassade war unerläßlich , um den wahren Zweck der Organisation zu
verschleiern.
Ob diese Vertrauensperson ein
Mann oder eine Frau war, spielte keine Rolle. Ideal wäre natürlich ein
Ostasien-Fachmann, bei dem niemand Verdacht schöpfen würde, wenn er Kontakte
mit Agenten im Fernen Osten und im pazifischen Raum aufnahm. Es sollte
möglichst jemand mit Beziehungen zu gebildeten Kreisen sein, der vielleicht als
zusätzliche Tarnung sogar eine kulturelle Gesellschaft aufziehen konnte. Alle
diese Voraussetzungen erfüllten Sie, Madame Choy .«
Ihre rechte Hand zuckte. Tremaine senkte ehrfurchtsvoll den Kopf. »Man muß ihn
umbringen«, sagte er mit seiner hohen Stimme. »Das ist die einzige Lösung .«
»Sie sind ein aufgeweckter
junger Mann, Mr. Boyd«, erklärte Madame Choy finster.
»Aber unüberlegt — und ein wenig dumm. Sie hätten vor Ihrer nächtlichen
Eskapade etwas mehr an Judith denken sollten, finden Sie nicht? Jetzt, da Sie
ihr gezeigt haben, was für ein Genie Sie sind, weiß Judith so viel wie Sie
selber .« Die schwarzen Augen musterten mich
beleidigend gleichgültig. »Sie haben Judiths Todesurteil gesprochen, Mr. Boyd.
Ist Ihnen das klar ?«
»Ich glaube nicht, daß Sie
Judith oder mich töten können, Madame Choy «, sagte
ich zuversichtlich. »Sie haben keine Zeit mehr. Die Frist läuft ab .«
»Fragen Sie Lucas Blair, wieviel — oder wie wenig — Zeit er braucht, Sie beide zum
Schweigen zu bringen«, schlug sie gelassen vor. »Von meinen Mitarbeitern
verlange ich, wie Sie selber eben so nett sagten, Mr. Boyd, vor allen Dingen
absolute Zuverlässigkeit .«
Ich warf unauffällig einen
Blick auf meine Uhr. Es war schon zehn Minuten nach elf. Wo zum Kuckuck bleibt Augie Falk? dachte ich verzweifelt.
»Sie besorgen wohl das
Notwendige, Lucas !« Madame Choy stellte keine Frage. Sie traf eine Feststellung.
»Mit Vergnügen«, flüsterte
Blair zufrieden. »Ich habe selten einen Auftrag so gern ausgeführt wie den,
meinen ganz besonderen Freund Danny Boyd umzulegen .«
»Weißt du, daß dich gestern abend Eddie Sloan so zugerichtet hat, Lucas ?« fragte ich beiläufig. »Das war sein Dank für den
Volltreffer, den du ihm in Cooks Hotelzimmer verpaßt hast. Als sie dich auf den
Vordersitz deines eigenen Wagens warfen, ließ Eddie absichtlich deinen Kopf
etwas vorstehen und knallte dann die Wagentür dagegen .« Ich griente. »Das hat er ganz schön hingekriegt .«
Lucas kam mit mörderischem
Gesichtsausdruck auf mich zu. Madame Choys Stimme
brachte ihn unvermittelt zum Stehen.
»Um dich tut es mir leid,
Judith«, sagte sie ausdruckslos. »Du hättest es weit bringen können in unserer
Organisation, wenn du dich nicht über die Grundregel hinweggesetzt hättest .« In einförmigem Ton, als zitiere sie einen Satz, den sie
durch ständige Wiederholung auswendig gelernt hatte, sagte sie: »Ein guter Kopf
ist nutzlos ohne vollständige Beherrschung des Herzens und der Sinne .«
Judith schlug beide Hände vors
Gesicht und schluchzte lautlos auf.
»Du hast dich mit diesem Mann
eingelassen«, fuhr Madame Choy mit ihrer gewöhnlichen
Stimme fort, »und so geschah das Unvermeidliche. Die sogenannte Liebe hat dir
den Kopf verdreht, so daß du einen unheilvollen Fehler
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