Für Leichen zahlt man bar
gemacht hast .«
»Madame«, zischte Blair, »ich
glaube, es ist besser, wenn ich jetzt meinen Auftrag ausführe und...«
Was er noch hatte sagen wollen,
ging in lauten Schritten unter, die die Treppe hochkamen. Er wirbelte herum und
betrachtete, wie die anderen, atemlos den obersten Treppenabsatz. Ich legte
Judith die Arme um die Hüften und zog sie dicht zu mir heran. Jetzt war keine
Zeit für Zimperlichkeiten . Jeden Augenblick konnte
die allgemeine Aufmerksamkeit, die von den näherkommenden Schritten gefesselt
war, sich wieder uns zuwenden. Ich knöpfte die beiden obersten Knöpfe ihrer
Shantung-Hemdbluse auf und griff mir das Schießeisen aus dem Gurt unter ihrem
Arm. Sekunden später stak es in meinem Gürtel, und mein Jackett war schützend darübergeknöpft .
Auf dem obersten Treppenabsatz
erschienen jetzt vier Männer, die zielbewußt auf die
langen Reihen der Aktenschränke losmarschierten. Augie Falk und Eddie Sloan gingen voran. Die beiden Männer, die ihnen folgten, kannte
ich nicht, aber sie machten einen sehr schlagkräftigen Eindruck. Alle waren
bewaffnet, so daß sie gegenüber Blair und seinen beiden Chinesen in der
Überzahl waren. Ich selbst betrachtete mich bescheiden als den
Überraschungseffekt im Hintergrund.
Falk und Sloan näherten sich
dem Schreibtisch. Ihre Begleiter blieben dicht hinter den Chinesen stehen, so
daß diese vier praktisch aus dem weiteren Geschehen ausgeschaltet waren-
»Mr. Falk!« Madame Choys Stimme klang scharf wie ein Peitschenschlag. »Was hat
dieser Überfall zu bedeuten? Wie können Sie es wagen, bewaffnet und
unaufgefordert hier einzudringen und —«
»Ruhe im Saal !« schnitt ihr Augie das Wort ab. »Wir wollen die Akten
haben — die Unterlagen. Wir rühren uns nicht vom Fleck, bis mein Name aus
sämtlichen Schriftstücken verschwunden ist. Verstanden?«
Tremaine stürzte Augie mit wutverzerrtem Gesicht entgegen. »Was fällt Ihnen ein, so respektlos mit
Madame zu reden ?« kreischte er. »Verlassen Sie sofort
das Haus !«
»Sie sind ein alter Mann, Tremaine «, fauchte Augie . »Ein
kleiner alter Mann! Reizen Sie mich nicht, sonst sind Sie im Handumdrehen ein
toter kleiner alter Mann !«
»Mr. Boyd?« Ich wandte den
Kopf. Madame Choy betrachtete mich mit leicht
belustigtem Lächeln. »Das war kein schlechter Schachzug! Aber ich fürchte, weit
werden Sie damit nicht kommen !«
»Die Akten !« forderte Augie .
»Mr. Boyd hat auch schon danach
gesucht«, antwortete sie gelassen. »Er war schon einige Zeit vor unserer
Ankunft hier und erfreute sich außerdem der fähigen Unterstützung von Miss
Montgomery, die bekanntlich meine Sekretärin war. Wenden Sie sich
vertrauensvoll an ihn, Mr. Falk !«
Augie betrachtete mich ungewiß . »Na, Boyd?«
»Bis jetzt habe ich noch kein
Glück gehabt. Aber die Unterlagen müssen ja hier irgendwo sein .«
»Meine Privatwohnung befindet
sich ein Stockwerk höher«, sagte Madame Choy kühl.
»Es steht Ihnen frei, dort persönlich alle Räume zu durchsuchen oder einen
Ihrer Leute hinaufzuschicken .«
Augie fühlte sich sichtlich nicht
wohl in seiner Haut. »Tja, das werden wir wohl tun müssen«, sagte er.
»Miss Montgomery kennt jeden
Zoll meiner Büroräume«, fahr Madame Choy fort, die
merkte, daß sie an Boden gewann. »Fragen Sie sie, ob sie dort jemals Unterlagen
von der Art, wie Sie sie suchen, gesehen hat .«
»Na ?« bellte Augie .
»Nein«, sagte Judith schwach.
»Niemals.«
»Mr. Falk«, sagte Madame Choy verächtlich, »glauben Sie im Ernst, daß ich bei
unseren vertraulichen Geschäften Namen, Preise und Mengen schriftlich
festhalten würde? Solche Aufzeichnungen wären eine ständige tödliche Gefahr für
uns alle, besonders aber für mich .«
Augie warf mir einen giftigen Blick
zu. »Was haben Sie dazu zu sagen, Boyd ?«
»Sie lügt! Sie muß lügen! Die
Geschäfte sind zu verzwickt, selbst wenn man sie nur auf den Kreis von
Großkunden wie Sie und Raddon beschränkt, um ganz
ohne Akten auszukommen .«
»Mr. Boyd ist daran
gescheitert, daß er zuviel Phantasie hat«, sagte die
Chinesin schneidend. »Beantworten Sie mir eine einfache Frage, Mr. Falk. Ich
verkaufe Ihnen Heroin. Wie zahlen Sie dafür ?«
»In bar«, grunzte Augie . »Immer in bar.«
»Nach Abwicklung unseres
Geschäftes haben Sie das Heroin, und ich habe das Geld .« Sie zuckte vielsagend die schmalen Schultern. »Können Sie mir verraten, wozu
ich bei einer so einfachen Transaktion Aufzeichnungen brauchen sollte ?«
Bruce
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