Für Leichen zahlt man bar
Tremaine hopste wie ein Gummiball hin und her. Seine Augen rollten wie Murmeln in den
Augenhöhlen herum, und er kicherte entzückt vor sich hin. »Sehen Sie! Sehen Sie !« kreischte er. »Madame Choy hat
recht, wie immer, meine Herren. Bei so einfachen Transaktionen — und alle
unsere Transaktionen sind im Grunde genommen einfach, meine Herren — brauchen
wir doch keine Aufzeichnungen !«
Augie Falk lief langsam dunkelrot
an. Noch stand er da wie ein begossener Pudel, aber ich wußte, gleich würde er
seine Verlegenheit an Danny Boyd abreagieren.
»Boss !« ließ sich ein wohlklingender Bariton vernehmen. Während Eddie sich mir drohend
näherte, nahm ich mit düsterer Befriedigung die dicke Beule über seiner
Nasenwurzel zur Kenntnis. »Ich habe Ihnen ja gesagt, daß Boyd eine Falle
gestellt und Sie als Köder verwendet hat. Sie brauchen mir nur einen Wink zu
geben, und ich mach’ ihn fertig. Ich hab’ noch wegen heute früh mit ihm
abzurechnen — es wird mir ein Hochgenuß sein !«
»Ich habe Sie am Telefon
gewarnt, Boyd«, sagte Augie plötzlich ganz sanft.
»Wenn das eine Falle ist —«
»Das hat er zusammen mit dieser
chinesischen Puppe angezettelt«, fauchte Eddie Sloan. »Wenn ich die beiden
zusammen erwische —«
»Um Boyd kümmere ich mich«,
zischte Lucas Blair wütend. »Halt deine große Klappe, Eddie !«
Eddie musterte ihn unverschämt
von oben bis unten und griente. »Dir ist wohl deine Schädeldecke abhanden gekommen , Kumpel ?« krähte
er begeistert.
»Lucas !« rief Madame Choy scharf. Der Dürre blieb einen
Schritt vor Eddie stehen und ließ langsam die Hände sinken.
»Nimm dich in acht, Eddie !« brüllte Augie . »Wenn du so
scharf darauf bist, dich umlegen zu lassen, mach das gefälligst in deiner
Freizeit ab und nicht, während du einen Auftrag für mich ausführst !«
Eddie machte ein verdrossenes
Gesicht. Dann brach es aus ihm heraus:
»Dieser Boyd! Ständig ist er
uns in den letzten vierundzwanzig Stunden in die Quere gekommen. Um ein Haar
hätte er mir den Mord an Cook angehängt. Seine Schuld ist es, daß wir Blair
zusammengeschlagen haben. Und wie war das heute morgen bei Ihnen in der Villa, Boss? Der arme alte Ape !«
»Maul halten !« Augie funkelte ihn zornig an.
Ich bemühte mich verzweifelt,
meine Gedanken auf die fehlenden Akten zu konzentrieren und nicht daran zu
denken, daß die ganze Bande sich schon in der nächsten Minute zusammenschließen
und mich vor Judiths Augen lynchen konnte. Madame Choy log natürlich, wenn sie sagte, daß sie keine Aufzeichnungen machte. Davon war
ich überzeugt. Aber mit Worten allein war ihr nicht beizukommen, dazu war sie
zu gerissen. Ich mußte handfeste Beweise bringen.
»Mr. Falk«, sagte Madame Choy ruhig und liebenswürdig. »Wenn Sie noch irgendwelche
Zweifel hegen, steht es Ihnen frei, das ganze Gebäude zu durchsuchen. Bitte,
tun Sie sich keinen Zwang an .«
»Nicht nötig«, knurrte Augie . »Ich bin völlig überzeugt .«
Tremaine rieb sich die Hände und fing
wieder an, herumzuhopsen . Er schielte vor Aufregung.
Ich fragte mich, wie Madame Choy es ausgehalten hatte,
so lange mit ihm zusammenzuarbeiten. Ständig stand dieser überspannte kleine
Kerl nur ein paar Schritte hinter ihr und beobachtete jede ihrer Bewegungen.
Sie hatte ja keinen Augenblick für sich allein. Den ganzen Tag im Büro saß er
ihr auf der Pelle. Ja, er hatte sogar sein Zimmer direkt neben ihren
Privaträumen. Bei jedem Geschäft, das sie abgeschlossen hatte, war Bruce Tremaine — nein, das war doch lächerlich... Oder doch
nicht? Ich überlegte fieberhaft. Was hatte Judith geantwortet, als ich sie nach Tremaines Stellung in der Organisation fragte? Sie
hatte sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht. Er war eben einfach da,
gehörte gewissermaßen mit zur Einrichtung.
»Es tut mir sehr leid, Madame Choy «, sagte Augie , und diesmal
war ihm sein hochmütiges Selbstbewußtsein scheinbar
gänzlich abhanden gekommen . »Ich war ein Narr, daß
ich Boyd überhaupt angehört habe. Ich hätte es besser wissen müssen .«
»Es ist nicht immer einfach,
sich in diesen Dingen zurechtzufinden, Mr. Falk«, sagte Madame Choy liebenswürdig. »Wir alle sind auf manchen Gebieten
beschlagener als auf anderen. Ich zum Beispiel würde mir nicht zutrauen, Ihre
Organisation zu übernehmen und wirkungsvoll zu leiten, genausowenig ,
wie Sie das mit der meinigen könnten .«
Augie zuckte bei diesem Seitenhieb
zusammen. Sie hatte ihn sanft, aber nachhaltig
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